Corona-Patienten im Krankenhaus Warum es zu Impfdurchbrüchen kommt
Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder und immer mehr Menschen müssen ins Krankenhaus - darunter auch Geimpfte. Woran liegt das? Wie gut schützt die Impfung? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viele Menschen sind in ein Krankenhaus eingeliefert worden?
Immer mehr Patienten werden zur Zeit mit einer Covid-19-Infektion in die Krankenhäuser eingeliefert. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts steigen die Zahlen in fast allen Altersgruppen. Besonders betroffen ist die Gruppe der über 60-Jährigen. In Meldewoche 40 (4. - 10. Oktober) waren es 1388 hospitalisierte Personen in dieser Altersgruppe von insgesamt 2535. Vier Wochen später schon 2907 Menschen von insgesamt 4407. Auch bei den 35- bis 59- Jährigen sind die Zahlen auffallend angestiegen. In Kalenderwoche 40 waren es 759 Patienten und in der 44. Kalenderwoche schon 957 Patienten.
Christian Karagiannidis ist medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters und spricht im Interview mit tagesschau24 von zwei Gruppen, die jetzt vermehrt auf den Intensivstationen zu sehen sind: Zum einen sind es jüngere, ungeimpfte Menschen und zum anderen ältere, mit einem geschwächten Immunsystem und ohne Booster-Impfung.
Seit dem 13. Juli müssen Krankenhäuser nicht nur die Aufnahme von Covid-19-Fällen, sondern auch den Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung sowie den Tod an das Gesundheitsamt melden. Ganz genau ist die Zahl aber nicht zu erfassen, denn es kommt immer wieder zu verspäteten Meldungen. Unschärfen im RKI-Bericht kommen auch durch Nachübermittlungen zustande, wenn sich der Zustand von Covid-19-Patienten erst nach ein paar Tagen verschlechtert und sie dann in die Klinik müssen.
Wie viele Menschen sind von Impfdurchbrüchen betroffen?
Dabei steigt auch die Zahl der Menschen, die trotz Impfung an dem Coronavirus erkranken. Seit Beginn der Impfkampagne hat es diesen Daten nach in Deutschland 175.188 wahrscheinliche Impfdurchbrüche gegeben. Die Präsidentin der Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, erklärt bei tagesschau24, dass das bei 56 Millionen geimpften Menschen nur 0,3 Prozent der Geimpften sind, die offenbar einen Impfdurchbruch hatten. Und von der Gesamtanzahl der Impfdurchbrüche müssten nur etwa vier Prozent ins Krankenhaus. In allen anderen Fällen hätten die Geimpften einen so leichten Verlauf, dass sie nicht in die Klinik mussten. Das zeige, wie effektiv die Impfstoffe wirkten.
Warum gibt es Impfdurchbrüche überhaupt?
Dass sich Menschen anstecken würden, obwohl sie geimpft sind, war bereits nach den Zulassungsstudien bekannt. Die Impfstoffe zeigten eine sehr gute Wirkung, doch auch in den Studien hatte keiner der Impfstoffe eine Wirksamkeit von 100 Prozent. Solche Impfdurchbrüche sind also normal und auch von anderen Impfstoffen bekannt.
Dass aktuell die Anzahl solcher Impfdurchbrüche nach der Covid-Impfung steigt, liege auch daran, dass viele sich nicht mehr so streng an Hygieneregeln halten, sagt Katherine O’Brien. Die Immunologin leitet die Abteilung für Immunisierungen und Impfungen der WHO. Die Sicherheitsvorkehrungen seien jedoch wichtig, um die Verbreitung des Virus in Schach zu halten: "Wenn sich das Virus immer schneller und weiterverbreitet, dann kommen wir auch stärker damit in Kontakt - das betrifft auch Geimpfte." In seltenen Fällen könnten diese dann eben auch erkranken.
Wie lange hält der Impfschutz?
Mittlerweile hat sich gezeigt, dass der Schutz durch die Impfung mit der Zeit abnimmt. Je länger die vollständige Immunisierung zurückliege, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, trotz Impfung zu erkranken, so eine britische Studie. Denn der Antikörperspiegel, den der Körper gegen das Coronavirus aufgebaut hat, sinkt einige Zeit nach der Impfung ab. Damit bleibt der Körper jedoch nicht wehrlos zurück. Denn das Immunsystem besteht noch aus weiteren Abwehrzellen, die durch die Impfung aktiviert werden. So kann die Immunabwehr relativ schnell wieder aktiviert werden, auch wenn die Antikörper nach einigen Monaten kaum noch messbar sind.
Warum können sich auch Geimpfte infizieren und das Virus weitergeben?
Eine Impfung schützt vor einem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung - sie schützt aber nicht davor, dass sich geimpfte Menschen infizieren können. Immunologin Falk erklärt, möglicherweise sei die Antikörperabwehr bei den Menschen, die einen Impfdurchbruch bekommen, nicht ganz lückenlos. So könnte das Virus in den Rachenraum gelangen und dann die geimpfte Person infizieren. Allerdings setzt dann die zweite Abwehrstufe, die der T-Zellen ein. Die brauchen allerdings ein wenig Zeit, bis sie richtig aktiv werden. In diesem Zeitfenster von etwa zwei bis drei Tagen könne die Viruslast relativ hoch sein. Diese aber sinke dann wieder ab, weil die T-Zellen die Virusausbreitung im Körper verhindern. Aus diesem Grund komme es bei Durchbruchsinfektionen oft auch zu leichten Verläufen der Krankheit.
Wer ist besonders betroffen?
Nicht alle Menschen haben das gleiche Risiko trotz Impfung an Covid-19 zu erkranken. Besonders betroffen seien Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, erklärt O’Brien. Das kann zum Beispiel nach einer Organtransplantation der Fall sein oder während einer Krebsbehandlung. Doch auch mit steigendem Alter wächst die Gefahr eines Impfdurchbruchs. Der Grund dafür ist, dass das Immunsystem mit dem Alter unflexibler wird und schwerer lernt, wie bisher unbekannte Erreger abgewehrt werden können. Als Folge schlägt die Impfung nicht so gut oder gar nicht an, es kann kein langanhaltender Schutz aufgebaut werden.
Durch die Impfung wird der Körper dazu angeregt, Antikörper zu bilden. Sie entstehen innerhalb von Tagen und Wochen durch spezialisierte Blutzellen. Immunologe Carsten Watzl nennt die Antikörper eine "Armee", die durch Zellteilung möglichst schnell anwachsen müsse. Wenn der echte Erreger erneut in den Körper eindringt, sei dieser gewappnet. Die Antikörper blockierten die Bindestelle des Virus, und dann könne dieses die Körperzellen nicht mehr infizieren.
Bereits infizierte Zellen werden durch T-Zellen, umgangssprachlich auch T-Killerzellen, einfach zerstört. Eine Ausbreitung der Krankheit im Körper wird verhindert.
Der zweite wichtige Teil der Immunreaktion sind sogenannte Gedächtniszellen. Solche gibt es sowohl bei den für Antikörperbildung verantwortlichen B-Zellen als auch bei den T-Zellen. Nach einer Infektion bildet der Körper diese Gedächtniszellen, die Information über einen Erreger wie SARS-CoV-2 in sich tragen. Bei einer erneuten Infektion können sie innerhalb eines Tages die Immunreaktion starten, Antikörper produzieren und spezifische T-Zellen bilden. So kann das Virus schnell bekämpft werden. Auch bei SARS-CoV-2 scheint das so zu sein, vermuten Forscherinnen und Forscher. Sie konnten zeigen, dass Genesene T-Gedächtniszellen bilden, die lange im Körper verbleiben.
Wie sind die Krankheitsverläufe?
Geimpfte haben einen klaren Vorteil - selbst im Fall einer Infektion. Denn sie erkrankten im Schnitt nicht mehr so stark, erklärt die Immunologin O’Brien. Viele dürften eine Infektion kaum wahrnehmen oder nur milde Symptome entwickeln.
Doch auch hier sind nicht alle Altersgruppen gleich betroffen: In einer Untersuchung von der Yale School of Medicine in den USA wurden die Daten von fast 1000 Covid-Patienten analysiert. Die Gruppe der Menschen, die trotz Impfung schwer erkrankten und im Krankenhaus behandelt werden mussten, war im Mittel 80,5 Jahre alt. Viele hatten chronische Vorerkrankungen.
Wie gut ist der Schutz vor einem schweren Verlauf?
Trotzdem gilt für ältere Menschen: Insgesamt schützt die Impfung weiterhin gut vor einem schweren oder tödlichen Verlauf. Zwar sinkt in der älteren Gruppe die Effektivität der Impfungen mit der Zeit - doch wenn es darum geht, schwere Verläufe zu verhindern, liegt der Schutz laut aktuellen israelischen Daten in allen Altersgruppen bei über 80 Prozent.
Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts sind mit einer vollständigen Impfung in Deutschland auch Menschen über 60 Jahren noch zu circa 85 Prozent vor einer Einlieferung ins Krankenhaus geschützt, zu 90 Prozent vor einer Behandlung auf der Intensivstation und zu circa 87 Prozent vor einem tödlichen Verlauf. Diese Zahlen beziehen sich auf die gemeldeten Impfdurchbrüche der letzten vier Wochen.