Im indischen Ahmedabad arbeiten drei Männer in einem Lager voller Sauerstoffflaschen.
FAQ

Neue Corona-Mutation Bremst die indische Variante Lockerungen?

Stand: 19.05.2021 20:39 Uhr

Die sogenannte indische Corona-Variante breitet sich nicht nur in Großbritannien immer stärker aus. Könnte die Mutation auch hierzulande den Kampf gegen die Pandemie behindern? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie bewerten Experten die indische Variante?

Die zuerst in Indien nachgewiesene Virus-Mutation B.1.617 wurde vor gut einer Woche von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestuft. "Es liegen Informationen vor, die auf eine erhöhte Übertragbarkeit hinweisen", begründete die WHO-Expertin Maria Van Kerkhove die Entscheidung. Dies müsse jedoch noch weiter erforscht werden. Bislang hatte die UN-Behörde in Genf nur die sogenannten britischen, südafrikanischen und brasilianischen Mutationen als "besorgniserregende Varianten" bezeichnet.

Die Einstufung als "besorgniserregend" erlaubt laut Robert Koch-Institut (RKI) eine verstärkte Überwachung, "beispielsweise durch gezielte PCR-Untersuchung und Gesamtgenomsequenzierung im Rahmen der Coronavirus-Surveillanceverordnung (CorSurV)". Die indische Variante zeichnet sich laut RKI durch Mutationen aus, die mit einer reduzierten Wirksamkeit der Immunantwort in Verbindung gebracht werden.

Wirken die Impfungen gegen die Variante?

Die auf mRNA-Technologie basierenden Corona-Impfstoffe scheinen nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine gute Wirksamkeit gegen die indische Variante des Coronavirus aufzuweisen. Es gebe "vielversprechende" Hinweise darauf, dass die Vakzine von BioNTech/Pfizer und Moderna in der Lage seien, diese Corona-Mutante zu "neutralisieren", sagte Marco Cavaleri von der EMA. Auch bei den anderen Impfstoffen gegen das Coronavirus gehe die EMA bislang davon aus, dass sie gegen die indische Variante wirkten, sagte Cavaleri. Hier müsse aber noch auf weitere Daten zum Einsatz des  Impfstoffs von AstraZeneca in Indien gewartet werden.

Auch das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass die Impfungen eine gute Wirksamkeit gegen die Mutation haben: "B.1.617 zeichnet sich durch Mutationen aus, die mit einer reduzierten Wirksamkeit der Immunantwort in Verbindung gebracht werden, wobei erste laborexperimentelle Daten darauf hindeuten, dass die Impfstoffwirksamkeit nicht substanziell beeinträchtigt ist."

Wie ansteckend ist die neue Variante?

Das renommierte britische Expertengremium SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies), das die Regierung berät, fürchtet, dass die indische Variante um bis zu 50 Prozent ansteckender sein könnte als die bisher in Großbritannien vorherrschende sogenannte britische Mutante B.1.1.7. Bislang wurden rund 1300 Fälle in Großbritannien registriert - doch die Zahl hatte sich innerhalb einer Woche beinahe verdreifacht.

Experten gehen davon aus, dass sich die Variante in dem Land schon bald als dominant durchsetzen wird. Die Bundesregierung hatte das Vereinigte Königreich wegen des Auftretens der Variante vergangene Woche wieder als Corona-Risikogebiet eingestuft.

Können sich Geimpfte dennoch anstecken?

Die Virologin Sandra Ciesek erläutert im jüngsten NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update", dass die Mutation die Wirkung der Impfung schwächen kann, ihren Schutz aber nicht ausschaltet: "Die Varianten aus Indien haben einen leichten Immun-Escape, also eine leicht verminderte Wirksamkeit", betont Ciesek. Was man beobachte, sei "eine leichte Einschränkung, aber kein vollständiges Versagen der Impfungen". Dies belegt auch eine erste Studien der NYU Grossman School of Medicine und des NYU Langone Center in den USA.

Berichte aus Großbritannien, wonach sich Altenheimbewohner trotz vollständiger Impfung mit dieser Variante neu angesteckt haben, beunruhigen Ciesek daher nicht allzu sehr: Kein Impfschutz wirke vollständig, gerade bei Älteren mit schlechterem Immunsystem. Reinfektionen seien nicht verwunderlich.

Wie verbreitet ist die Variante in Deutschland?

Die inzwischen schon in Dutzenden Ländern kursierende Mutante B.1.617 hatte in Deutschland zuletzt einen Anteil von weniger als zwei Prozent, allerdings mit steigender Tendenz. Für Aufsehen sorgte zuletzt ein Fall im nordrhein-westfälischen Velbert bei Düsseldorf. Dort wurde die indische Coronavirus-Variante bei der Bewohnerin eines Hochhausblocks nachgewiesen. Daraufhin wurden zwei Hochhäuser mit Dutzenden Bewohnern unter Quarantäne gestellt. Tests bei 19 Personen aus vier Familien fielen bereits positiv aus. Ob es sich auch bei ihnen um die indische Mutation handelt, ist aber noch unklar.

Sind die Lockerungen gefährdet?

Ob die indische Variante die Öffnungsschritte gefährdet, lässt sich laut Ciesek derzeit noch nicht abschätzen. Dazu müsse beobachtet werden, ob und wie sich die Mutation in Deutschland weiter ausbreite oder ob die Zahlen stagnierten. Dabei könne Deutschland von den Daten aus Großbritannien profitieren, wo diese Variante weiter verbreitet sei und wo mehr sequenziert werde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei Online-Beratungen der Unionsfraktion, dass Öffnungsschritte gut durchdacht werden sollten. Je aggressiver eine neue Virus-Variante sei, desto mehr Menschen müssten geimpft sein, um eine Herdenimmunität zu bekommen. Die indische Virusvariante sei ein Unruheherd, die sich schneller ausbreite als die britische.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 18. Mai 2021 um 16:21 Uhr.