IGeL-Monitor 2023 Zweifelhafte Leistungen für Selbstzahler
Wenn die Kasse die Kosten nicht übernimmt, sind viele Menschen bereit, für bestimmte Gesundheitsleistungen selbst zu zahlen. Doch die angebotenen Leistungen haben laut dem IGeL-Monitor 2023 oft keinen Nutzen oder sind sogar eher schädlich.
Vielen Patientinnen und Patienten in Deutschland werden in Arztpraxen "Individuellen Gesundheitsleistungen" (IGeL) angeboten, die nach Einschätzung von Experten der Krankenkassen entweder schaden oder keinen nachgewiesenen Nutzen haben.
Von 55 der am häufigsten angebotenen Leistungen seien 53 mit "tendenziell negativ", "negativ" oder "unklar" bewertet worden, teilte der Medizinische Dienst Bund bei der Vorstellung des "IGeL-Monitors" 2023 mit. Lediglich die Lichttherapie bei einer sogenannten Winterdepression und Akupunktur zur Migräneprophylaxe sind demnach "tendenziell positiv" einzustufen.
Ein Geschäft "auf hohem Niveau"
Das Geschäft mit individuellen Gesundheitsleistungen laufe "auf hohem Niveau", erklärte der Medizinische Dienst Bund. In einer repräsentativen Befragung unter 6000 Versicherten im Alter von 20 bis 69 Jahren gaben fast 80 Prozent an, Leistungen zu kennen, die selbst bezahlt werden müssen. 78 Prozent wurden nach eigenen Angaben über den Nutzen, aber lediglich 56 Prozent auch über mögliche Schäden der angebotenen Leistungen informiert.
Für den IGeL-Monitor bewertet ein Wissenschaftsteam seit mehr als zehn Jahren den Nutzen und Schaden individueller Gesundheitsleistungen. Die Analyse stützt sich den Angaben zufolge auf wissenschaftliche Studien und gleicht die Ergebnisse mit internationalen Leitlinien ab. Für den Nutzen der untersuchten IGeL gebe es dabei meistens keine ausreichenden Belege.
Ultraschall der Eierstöcke oft genutzt
Zu den meistverkauften Selbstzahlerleistungen gehören laut der Studie Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung sowie verschiedene Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen. Von Versicherten selbst bezahlt werden oft auch ein zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings, zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, ein Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung und Untersuchungen des Blutbilds.
Der besonders häufig genutzte Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter wird durch den IGeL-Monitor mit "negativ" und "tendenziell negativ". Denn häufig komme es zu falsch-positiven Befunden und in der Folge zu unnötigen weiteren Untersuchungen. "Die oft jungen Frauen werden völlig unnötig in Angst und Schrecken versetzt. Die Untersuchung hat als Früherkennung keinen Nutzen; sie kann aber definitiv schaden und wird deshalb auch von den gynäkologischen Fachgesellschaften abgelehnt" sagte Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund.
Nutzen von zwei Long-Covid-Therapieangeboten zweifelhaft
Der Nutzen von zwei Selbstzahlerleistungen für Long-Covid-Patienten wurde als unklar eingestuft. Sowohl die H.E.L.P.-Apherese ("Blutwäsche") als auch die Hyperbare Sauerstofftherapie würden für mehrere Tausend Euro angeboten. Zur Blutwäsche gebe es in medizinischen Datenbanken gar keine Studiendaten. Zur Sauerstofftherapie wurde eine Studie gefunden, aus der aber kein Nutzen abgeleitet werden konnte.
Die IGeL-Nutzung hat sich in den vergangenen Jahren den Ergebnissen zufolge spürbar verändert. Früher seien Selbstzahlerleistungen vor allem an Versicherte im Alter von über 50 Jahren verkauft worden. Mittlerweile sind es vermehrt auch junge Patientinnen und Patienten, die die angebotenen Leistungen als wichtig für den Erhalt der Gesundheit einstufen und auch bereit sind, dafür zu bezahlen.