Medizin mit Verantwortung So lassen sich Blutkonserven sparen
Blut ist eine Ressource, mit der deutsche Krankenhäuser laut Experten deutlich sparsamer umgehen könnten. Durch sogenanntes Blutmanagement ließen sich Bluttransfusionen oft vermeiden.
Bei der Gabe von Blutkonserven ist Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz eins. Jedes Jahr sind es 54 Bluttransfusionen pro tausend Einwohner. Zum Vergleich: In Großbritannien sind es nur 35.
Die Gabe von Blut ist nicht nur teuer, sondern auch riskant. Denn auch wenn Blutkonserven umfassend untersucht werden, sind immer unerwünschte Reaktionen des Körpers möglich, wie allergische Reaktionen.
Blutmanagement für sparsameren Umgang mit Blut
Gleichzeitig gibt es noch immer zu wenige Blutspenden. Experten wie Professor Kai Zacharowski, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie an der Uniklinik Frankfurt, setzen sich deswegen für ein sogenanntes Patient Blood Management ein, im Deutschen: Blutmanagement.
"Wir gehen insofern verschwenderisch mit Blut um, als wir unsere Patienten schlecht vorbereiten. Denn etwa ein Drittel der Patienten haben im Vorfeld einer geplanten Operation eine Blutarmut, die man häufig behandeln könnte." Meist sei es ein simpler Eisenmangel, den man mit einer Eisenspritze einmalig intravenös behandeln könne, erklärt Zacharowski im SWR.
Blutmanagement bedeutet also die Stärkung der körpereigenen Blutreserven, aber auch, den Blutverlust auf ein Minimum zu reduzieren und auch die Einrichtung sogenannter Algorithmen, die die Blutzufuhr regulieren.
Denn: "Es gibt in Deutschland keine wirklich guten Regeln, die eingehalten werden, und wir brauchen noch verlässlichere, noch bessere Vorgaben, wann, wie, welches Produkt, welchen Patienten überhaupt gegeben wird", sagt Zacharowski.
Eine alternde Gesellschaft braucht mehr Blut, spendet aber weniger
Aktuell können in Deutschland noch alle Patientinnen und Patienten, die eine Bluttransfusion brauchen, behandelt werden. Die Aussicht auf eine Gesellschaft mit immer mehr älteren Menschen könnte das aber ändern.
Durch die immer besser werdende medizinische Behandlung können Krankheiten wie Krebs auch bis ins hohe Alter gut behandelt werden - und dort wird viel Blut gebraucht.
Weil im hohen Alter weniger Blut gebildet werde und so ein großer Teil der Gesellschaft als Blutspender ausfalle, sei gleichzeitig zu erwarten, dass es in Zukunft tendenziell weniger Blutspenden gebe. "Also brauchen wir neue Strategien, um den Blutverbrauch in Deutschland signifikant zu senken", so Zacharowski.
Blutmanagement in Krankenhäusern noch nicht verbreitet
Mit Angehörigen der Universitäten in Bonn, Kiel und Münster sowie Wissenschaftlern in anderen Ländern hat Zacharowski drei Netzwerke mit dem Namen "Patient Blood Management (PBM)" gegründet, die in Deutschland, Europa und weltweit operieren.
Seit 2014 setzt sich das deutsche PBM-Netzwerk dafür ein, dass das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Blut wächst. Von den etwa 2.000 Krankenhäusern, die es in Deutschland gibt, sind aktuell etwa 70 in das Netzwerk eingebunden. "Es gibt also noch ganz viele Häuser, die absoluten Schulungsbedarf und Handlungsbedarf haben und das leider zu Lasten der Patienten", sagt Zacharowski.
Dazu gehöre, dass ein gut organisiertes Krankenhaus im Vorfeld einer Operation wissen sollte, ob ein möglicher Bedarf für eine Bluttransfusion bestehen könnte.
Durch die verbreitete Anwendung von Blutmanagement ließen sich in Deutschland pro Jahr Hundertausende bis weit über eine Million Blutkonserven einsparen, schätzt Zacharowski.
Blutmanagement ist auch relevant für das Klima
Das Gesundheitssystem ist weltweit für vier bis fünf Prozent aller Emissionen verantwortlich. So haben sich Zacharowksi und weitere Experten mit ihrem Konzept des Blutmanagements auch dem Ziel einer klimaneutralen Gesundheitsversorgung verschrieben.
Die Vorbeugung von Blutarmut und die ressourcenschonende Behandlung von Patientinnen und Patienten soll also auch im Zeichen einer "Zero Carbon Healthcare" stehen.
Blutgesundheit ist weltweit ein drängendes Thema
Die Weltgesundheitsorganisation wird zum Thema Blutgesundheit in den nächsten Wochen eine Veröffentlichung herausgeben. Denn dieses Thema ist nicht nur in Deutschland relevant, weltweit sind über drei Milliarden Menschen von Blutarmut, Blutgerinnungsstörungen oder Blutverlust betroffen.