Millionen Todesopfer weltweit Pilzerkrankungen - eine unterschätzte Gefahr
Jedes Jahr sterben weltweit etwa 1,7 Millionen Menschen an Pilzinfektionen. Häufig werden die Symptome nicht richtig erkannt. Außerdem entwickeln - ähnlich wie Bakterien - immer mehr Pilze Resistenzen. Von Yasmin Appelhans.
Jedes Jahr sterben weltweit etwa 1,7 Millionen Menschen an Pilzinfektionen. Häufig werden die Symptome nicht richtig erkannt. Außerdem entwickeln - ähnlich wie Bakterien - immer mehr Pilze Resistenzen.
Von Yasmin Appelhans, NDR
Dass sein Forschungsgebiet so unbekannt ist, dafür hat Bernhard Hube kein Verständnis. Er ist Professor für Mikrobiologie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena. Er forscht an mikroskopisch kleinen Pilzen, die Menschen infizieren können: "Fakt ist, dass Pilze im Jahr genauso viele Menschen umbringen wie Tuberkulose und noch mehr als Malaria. Diese Tatsache wird einfach vernachlässigt."
Geschätzte 1,7 Millionen Menschenleben kosten Pilzinfektionen weltweit jedes Jahr. Zum Vergleich: Bei Malaria sind es, je nach Schätzung, zwischen 400.000 und 600.000 Todesopfer.
Krankheit bleibt oft unentdeckt
Adilia Warris ist Professorin für pädiatrische Infektionskrankheiten an der Universität Exeter in England und ebenfalls auf Pilzinfektionen spezialisiert. Diese können Erwachsene und Kinder gleichermaßen treffen, sagt sie. Dass trotz ihrer weiten Verbreitung wenig über sie gesprochen wird, hat damit zu tun, wen die Pilze infizieren, glaubt sie. Denn anders als bei bakteriellen oder viralen Infektionen, ist nicht die gesamte Bevölkerung gefährdet. "Pilzkrankheiten betreffen nur bereits geschwächte Menschen oder anfällige Menschen mit anderen Erkrankungen. Ich denke, das ist ein Grund. Ein anderer ist, dass Pilzkrankheiten vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ein Problem darstellen."
Denn dort sind die Diagnosemöglichkeiten noch schlechter als in reicheren Ländern. Aber auch hier in Deutschland zum Beispiel erfolgt die Behandlung oft zu spät. Was auch an den Symptomen der Pilzinfektionen liegt, sagt der Mikrobiologe Hube: "Das sind keine klaren Symptome. Die Patienten haben Fieber, dann setzt der Arzt Antibiotika ein und das könnte das Problem sogar noch vergrößern."
Denn die Antibiotika können dann auch hilfreiche Bakterien abtöten, die die Pilzinfektion mit eindämmen. "Und wenn der Arzt dann erkennt: 'Oh, das ist gar kein Bakterium, das ist ein Pilz', dann kann es oft schon zu spät sein."
Pilze entwickeln Resistenzen
Neben Problemen bei der Diagnose ist in den letzten zehn bis zwanzig Jahren noch ein weiteres dazugekommen. Es gibt immer mehr Pilzarten, die gegen alle zugelassenen Medikamente resistent sind, so Warris. "Ein Pilz kann allein aufgrund seiner Art resistent gegen bestimmte Wirkstoffe sein. Was jedoch immer mehr zu einem Problem wird, ist die Resistenz, die sich entwickelt, weil Pilze Anti-Pilz-Wirkstoffen ausgesetzt werden. Dann hat der Pilz wiederum die Fähigkeit, gegen das Anti-Pilz-Mittel resistent zu werden."
Diese sogenannten erworbenen Resistenzen entstehen vor allem an zwei Orten: Bei immungeschwächten Patienten und in der Landwirtschaft. Denn auch in Deutschland werden Felder mit Mitteln besprüht, die auch beim Menschen als Medikamente gegen Pilze eingesetzt werden. Damit soll verhindert werden, dass die Ernte fault. Gleichzeitig entstehen aber resistente Pilzarten und werden, zum Beispiel auf Tulpenzwiebeln, in die ganze Welt gebracht.
Immunsystem stärken
Beide Forschende plädieren deshalb dafür, dass Mittel gegen Pilze in der Landwirtschaft nur begrenzt eingesetzt werden dürfen. Das gelte besonders für neue Wirkstoffe, die gerade erst entwickelt werden.
Auch Hube forscht an solchen neuen Wirkstoffen. Und an anderen Verfahren, um mit den Resistenzen umgehen zu können. Also zum Beispiel das Immunsystem der Patienten so zu stärken, dass sie die Pilzinfektionen selbst abwehren können. "Es gäbe auch die Möglichkeit, nicht grundsätzlich den Pilz umzubringen, sondern zu schwächen, dass er unschädlich wird. Dabei wäre auch die Gefahr der Resistenzbildung viel geringer."