Schäden in Milliardenhöhe Invasive Arten sorgen für Artensterben
Tiere und Pflanzen, die sich außerhalb ihrer Heimat ausbreiten, gelten als eine Hauptursache für den weltweiten Artenrückgang. Und sie sorgen für Schäden in Milliardenhöhe. Ein UN-Bericht schlägt deshalb Alarm.
Invasive Arten spielen laut einem UN-Bericht eine Schlüsselrolle beim weltweiten Artensterben. Eingeschleppte Arten seien bei 60 Prozent der dokumentierten Ausrottungen von Tieren oder Pflanzen ein entscheidender Faktor, heißt es im bislang umfassendsten Bericht über invasive Arten, den der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) in Bonn veröffentlicht hat.
Die rund 37.000 katalogisierten Arten richten demnach jährlich Schäden in Höhe von mehr als 400 Milliarden Dollar (371 Milliarden Euro) an. Diese Summe entspreche dem Bruttoinlandsprodukt von Ländern wie Dänemark oder Thailand und sei höchstwahrscheinlich noch eine "grobe Untertreibung", erklärte das Beratungsgremium, das mit vollständigem Namen Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen) heißt.
"Es ist der erste Bericht, der das Problem so global und umfassend behandelt", sagte Sven Bacher, Professor für Ökologie und Evolution an der schweizerischen Universität Freiburg. "Jetzt haben wir endlich eine Datengrundlage, mit der wir zeigen können, wie groß das Ausmaß dieses Phänomens ist."
Die Zahl der invasiven Arten nimmt laut dem Bericht schnell zu. Sie setzen natürliche Ökosysteme zusätzlich zum Klimawandel, dem Verlust von Lebensräumen, Umweltverschmutzung und wirtschaftlicher Ausbeutung unter Druck.
Ursache: der Mensch
Ursache für die Ausbreitung invasiver Arten sind dem Bericht zufolge die Aktivitäten der Menschen. Sie schleppen zuvor nicht in den entsprechenden Regionen vorhandene Arten unabsichtlich über Abwässer von Schiffen, Frachtgut oder Urlaubsgepäck ein. Außerdem wurden und werden fremde Spezies absichtlich als Zier- oder Futterpflanzen oder Beutetiere für die Jagd eingeführt.
Welch unkontrollierbare schreckliche Folgen dies haben kann, zeigt etwa die Wasserhyazinthe, die mittlerweile 90 Prozent der Oberfläche des riesigen Victoriasees in Ostafrika bedeckt. Die fremde Pflanze verdrängt heimische Arten, erschwert den Schiffsverkehr und die Fischerei, blockiert den Zufluss in ein Wasserkraftwerk und ist eine Brutstätte für Mücken. Es wird angenommen, dass die Wasserhyazinthe ursprünglich von belgischen Kolonialbeamten im heutigen Ruanda als Zierpflanze in Gärten eingeführt wurde.
Kaninchen vertreiben Vögel in Neuseeland
In Neuseeland wiederum wurden im 19. Jahrhundert Kaninchen für die Jagd eingeführt. Weil die Nager sich schnell zur Plage entwickelten, wurden zu ihrer Bekämpfung Wiesel ausgesetzt. Diese jagten aber lieber heimische Vogelarten wie das Nationaltier Kiwi.
Das Mittelmeer wiederum wimmelt heutzutage von eingeschleppten Arten wie dem Feuerfisch und der gefährlichen Alge Caulerpa taxifolia. Wahrscheinlich durch Frachtgut aus Asien ins Land gekommene Killer-Hornissen töten in den USA bei einem einzigen Angriff ganze Bienenkolonien.
In Deutschland gehören der Waschbär und der Ochsenfrosch zu den invasiven Arten. Für Deutschland gibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) 900 gebietsfremde Arten an, von denen etwa 90 invasiv sind und damit eine Gefahr für die biologische Vielfalt darstellen. "Diese Zahlen sind sehr zurückhaltend", sagt dazu der IPBES-Experte Hanno Seebens. "Nach unseren Datenbanken haben wir in Deutschland mindestens 2.600 etablierte gebietsfremde Arten, von denen ein Teil invasiv ist."
Es gebe auch invasive Arten, die ganze Ökosysteme veränderten. "Da könnte man die Pazifische Auster anführen, die in der Nordsee große Austernbänke bildet und dadurch sogar die Strömungsverhältnisse im Wattenmeer verändert. So wird der Lebensraum als Ganzes durch eine einzige invasive Art stark beeinflusst", erläutert Bacher.
Neben diesen Naturschäden gibt es aber auch starke wirtschaftliche Schäden. So zerstören Bisamratten - ursprünglich wegen ihres Pelzes eingeführt - vielfach Uferbefestigungen. Der Japankäfer wiederum fällt wie eine biblische Plage über Felder her und frisst alles kahl. In der Schweiz wird dagegen mit Pestiziden auch in privaten Gärten vorgegangen. Auch für den Menschen können bestimmte Arten gefährlich werden: So ist die Asiatische Tigermücke potenziell Überträgerin von Krankheiten.
Bericht legt auch Strategien im Kampf gegen Invasion dar
An dem IPBES-Bericht haben 86 Experten aus 49 Ländern vier Jahre lang gearbeitet und mehr als 13.000 Studien ausgewertet. Ihre Ergebnisse wurden von den mehr als 140 IPBES-Mitgliedstaaten geprüft und gebilligt. Er legt auch grundsätzliche Strategien im Kampf gegen invasive Arten dar, aufgeteilt in die Bereiche Vorbeugung, Ausrottung und Eindämmung.
Im Dezember hatte die internationale Gemeinschaft sich im kanadischen Montreal auf ein Artenschutzabkommen geeinigt. Es sieht unter anderem vor, die Ausbreitung invasiver Arten bis 2030 zumindest zu halbieren. Allerdings gibt es laut IBPES bislang nur in 17 Prozent aller Länder überhaupt Gesetze oder Verordnungen gegen invasive Arten.
Lemke fordert internationale Kooperation
Als Reaktion auf den Bericht forderte Bundesumweltministerin Steffi Lemke mehr internationale Kooperation. "Damit invasive gebietsfremde Arten nicht eingeführt werden oder sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten können, ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig", sagte sie. "Prävention, Früherkennung und Management sind hierbei besonders wichtig."
Die Grünen-Politikerin wies darauf hin, dass die EU bereits 2015 eine Verordnung mit Regelungen zu invasiven Arten erlassen habe. Deutschland unterstütze die Umsetzung der EU-Verordnung unter anderem mit Forschungsprojekten und Fachtagungen.