Meeresforschung Algenschleim gegen den Klimawandel
Nicht nur Wälder an Land können eine Senke für Kohlenstoff sein. Auch ein besonderer Algenschleim könnte dabei helfen, eine beachtliche Menge an Kohlenstoff im Meeresboden zu versenken.
In dunkelbraun mit grünlichem Schimmer wächst er in Ufernähe oder liegt angespült am Strand - der Blasentang. Auch an der deutschen Nord- und Ostsee kommt er häufig vor. Bei manchen Menschen löst er auch wegen seiner Konsistenz Unbehagen oder sogar Ekel aus. Dabei bietet die Alge nicht nur vielen Tieren einen wichtigen Lebensraum.
Eine neue Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen hat ausgemacht, dass Fucus vesiculosus, so der wissenschaftliche Name, auch eine wichtige Rolle in der Klimakrise spielen könnte - durch seinen Schleim.
Schleim bindet Kohlenstoff
Fucoidan - so heißt der schleimige Stoff, der mit dazu beitragen könnte, die Klimakrise abzumildern. Die Substanz wird besonders von Braunalgen gebildet. Auch von dem namensgebenden Blasentang Fucus. Eigentlich stützt sie die Alge von innen. Sie bindet aber auch langfristig Kohlenstoff im Meeresboden.
Denn nicht nur der Blasentang, sondern alle Algen und Pflanzen im Allgemeinen, lagern bei der Photosynthese Kohlenstoff ein und wandeln ihn in Biomasse um. Auch aus Kohlenstoff, der als CO2 aus der Atmosphäre ins Meer gekommen ist. Wenn die Pflanzen sterben, zersetzen im Normalfall Bakterien diese Biomasse. Der gebundene Kohlenstoff wird am Ende der Lebenszeit der Pflanzen wieder frei.
Bakterien verschmähen Schleim
Braunalgen sondern während ihres Lebens viel Schleim in Form von langkettigen Zuckern ab, sogenannten Polysacchariden. Laut der neuen Studie bestehen diese beim Blasentang fast zur Hälfte aus dem Fucoidan. Das könnte eine gute Nachricht fürs Klima sein, sagt Jan-Hendrik Hehemann, einer der Autoren: "Weil Fucoidan auch sehr viel Kohlenstoff enthält und schlecht von Bakterien abgebaut wird, könnte das eine gute Kohlenstoffsenke sein."
Dass Fucoidan von den Bakterien verschmäht wird und damit Kohlenstoff aus der Atmosphäre lange binden kann, kann man auch im Meeresboden sehen. Denn auch tief im Boden, wo der Sand und alles, was ihn umgibt, hunderte Jahre alt ist, lässt sich genauso viel des Algenschleims Fucoidan nachweisen, wie direkt an der Oberfläche. Über 1000 Jahre alt könnte hier das Fucoidan schon sein und damit sehr langfristig Kohlenstoff einlagern und damit der Atmosphäre entziehen.
Relevante Senke für Kohlenstoff
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch andere Braunalgen, die in noch größeren Mengen vorkommen als der Blasentang, sehr viel Fucoidan abgeben. Wie viel genau, und wie viel Kohlenstoff die Algen durch ihren Schleim auch der Atmosphäre langfristig entziehen können, möchte Hagen Buck-Wiese jetzt untersuchen. Er ist der Erstautor der Studie und hat eine neuartige Methode entwickelt, wie die Menge an Fucoidan gemessen werden kann.
Sollten die Mengen bei anderen Braunalgen ähnlich hoch sein, wie beim Blasentag, wären Algen eine relevante Kohlenstoffsenke, sagt er: "Dann würde das, wenn man es hochrechnet, bedeuten, dass vielleicht eine halbe Gigatonne im Jahr an Fucoidan dann im Meer landet und Kohlenstoff speichert."
Schnee im Meer
Auch Florian Weinberger, der am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel an Algen forscht und nicht an der Studie beteiligt ist, hält das durchaus für möglich. Gerade, wenn der Algenschleim in die Tiefe gelangt - zum Beispiel über sogenannten Meeresschnee.
Meeresschnee, oder englisch "marine snow", bezeichnet Flocken, die in der Nähe der Meeresoberfläche entstehen. Sie bestehen zum Beispiel aus den langkettigen Zuckern, die als Schleim von größeren Algen abgegeben werden und aus abgestorbenen, mikroskopisch kleinen Algen. Die Flocken sinken langsam ab und kommen so in tiefere Wasserschichten, wo kein Sauerstoff mehr ist. "Man kann dann annehmen, dass ihr Abbau sich da sehr stark verlangsamen wird", sagt Weinberger. Denn hier sind die Bakterien nicht mehr besonders aktiv.
Algenwälder wiederaufforsten
Schon lange gibt es Rufe, Algenwälder wiederaufzuforsten, auch um den Klimawandel abzumildern. Die neue Studie zeigt: Die Algen bräuchten gar nicht aufwendig versenkt werden, um dem System langfristig Kohlenstoff zu entziehen. Es könnte auch reichen, sie überhaupt wachsen zu lassen.
Hehemann befürwortet ökonomische Anreize. "Theoretisch könnte vielleicht ein Algenbauer oder eine -bäuerin zweimal bezahlt werden. Einmal für die Zeit, in der die Algen lebt und Kohlenstoff bindet und dann auch noch für das Produkt, welches an Menschen verkauft wird", sagt er.