Studie zum Klimawandel Das Grün bedroht die Alpen-Flora
Forscher aus der Schweiz haben viele Satellitenbilder ausgewertet. Ihr Fazit: Die Alpen werden immer grüner. Was nach einer guten Nachricht klingt, ist tatsächlich ein großes Problem. Denn die große Artenvielfalt ist dadurch bedroht.
Die Alpen werden einer Studie zufolge wegen des Klimawandels immer grüner. Die Vegetation habe oberhalb der Baumgrenze in fast 80 Prozent der Alpen zugenommen, schreiben Forscher der Universitäten von Lausanne und Basel in der Fachzeitschrift "Science". Für die Studie wurden Satellitenbilder aus den Jahren 1984 bis 2021 ausgewertet.
Was zunächst nach einer guten Nachricht klingt, ist tatsächlich das Gegenteil. Denn charakteristisches Merkmal von Hochgebirgen ist, dass es verschiedene Klimazonen gibt - mit Tiere und Pflanzen, die sich speziell an diese Zonen angepasst haben. Mit dem Klimawandel verändern sich unter anderem die Temperatur und die Menge und Verteilung des Niederschlags. Dadurch wandern gewissermaßen auch die Klimazonen nach oben, was vor allem für Pflanzen und Tiere zum Problem wird, die auf kühleres Klima spezialisiert sind.
"Angepasst, aber nicht sehr konkurrenzfähig"
Der Klimawandel bedroht damit die große Artenvielfalt, die es im Gebirge gibt. "Das Ausmaß der Veränderung hat sich in den Alpen als absolut massiv herausgestellt", sagt Sabine Rumpf von der Universität Basel. Pflanzen besiedelten neue Gebiete und die Vegetation werde generell dichter und höher.
Dieser Effekt könnte die spezielle Alpen-Flora bedrohen. "Alpenpflanzen sind an raue Bedingungen angepasst, aber nicht sehr konkurrenzfähig", sagt Rumpf. Wenn sich die Umweltbedingungen änderten, würden diese spezialisierten Arten ihren Vorteil verlieren und von anderen Arten verdrängt. "Die einzigartige Biodiversität der Alpen steht daher unter erheblichem Druck", so die Forscherin weiter.
Bäumen wachsen in den Alpen nur bis in bestimmte Höhenlagen - doch die Wachstumsgrenze hat sich verschoben.
"Die Berge wachsen zu"
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch ein Bürgerforschungsprojekt in Bayern, dessen erste Ergebnisse Anfang April veröffentlicht wurden. Für das Projekt "Baumgrenzen erkunden" hatten Bergwanderer Fotos von bestimmten Baumarten gemacht, die dann wissenschaftlich ausgewertet und mit historischen Daten verglichen wurden.
Bäume brauchen - abhängig von der Art - untere anderem eine gewisse Temperatur, um wachsen zu können. Ist es in einer Höhenlage zu kalt und die Vegetationsperiode damit zu kurz, überleben sie nicht. Ergebnis des Bürgerprojekt ist, dass sich die Wachstumsgrenzen von Baumarten deutlich nach oben verschoben haben - seit Mitte des 19. Jahrhunderts um bis zu 400 Höhenmeter. "Die Berge wachsen zu", so Jörg Ewald von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zu den vorläufigen Ergebnissen des Mitmach-Projekts.
Immer mehr von Weiß zu Grün
Im Gegensatz zur Vegetation hat sich laut der Studie der Unis Lausanne und Basel die Schneebedeckung oberhalb der Baumgrenze seit 1984 nur geringfügig verändert. Die jeweilige Schneehöhe ließe sich anhand der Satellitenbilder aber nicht genau feststellen, hieß es. Jedenfalls würden sich die Alpen mit der Erderwärmung immer mehr von Weiß zu Grün verfärben.
"Grünere Berge reflektieren weniger Sonnenlicht und führen daher zu einer weiteren Erwärmung - und damit zu einer weiteren Schrumpfung der reflektierenden Schneedecke", erläutert Rumpf. Höhere Temperaturen führten zu einem Abschmelzen von Gletschern und dem Auftauen von Permafrost, was mehr Erdrutsche, Steinschläge und Gerölllawinen auslösen könnte.