Ein Eisberg im südlichen Ozean.
FAQ

Treffen in Berlin Was in der Antarktis möglich sein soll

Stand: 25.05.2022 03:43 Uhr

In der Antarktis wird geforscht, gefischt und immer häufiger besuchen auch Touristen die Region. In Berlin beraten Vertreter von mehr als 50 Ländern darüber, wer was im größten Naturschutzgebiet der Erde eigentlich darf.

Von Bianca Schwarz, hr

Um was geht es bei dem Treffen?

Bei den Konsultativtagungen zum Antarktis-Vertrag in Berlin geht es vor allem um Umwelt- und Klimaschutz. So ist zum Beispiel der Schutz der Kaiserpinguine ein langfristiges Ziel. Auch der Schutz eines neu entdeckten, riesigen Fischbrutgebietes in den Antarktischen Meeren könnte zum Thema werden. Die Biodiversität in den Eismeeren des Kontinents ist riesig und muss erhalten werden, Fischfang ist hier nur sehr eingeschränkt erlaubt.

Die Vertragsstaaten des Antarktisvertrages werden durch einen eigenen Ausschuss für Umweltschutz beraten. Auch die Forschung wird in Berlin in den Blick genommen, regelmäßig muss besprochen werden, wer was wo erforschen möchte und wie das die übrigen Länder und die übrigen Forscherinnen und Forscher vor Ort beeinflussen könnte. Auch der Tourismus wird in diesem Jahr ein wichtiges Thema sein. Er nimmt stark zu, ist aber nur erlaubt, solange die antarktische Flora und Fauna nicht gestört werden. Das Treffen läuft noch bis zum 2. Juni.

Was ist der Antarktisvertrag?

Auch wenn der Antarktisvertrag nicht sonderlich bekannt ist - er gilt als eines der erfolgreichsten zwischenstaatlichen Abkommen und regelt, wie ein Kontinent ohne Regierung, ohne Parlament, fair von allen Interessenten genutzt werden kann.

Seinen großen politischen Wert versteht man mit einem Zeitsprung in die späten 1950er-Jahre. Damals befand sich die Welt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Mehrere Staaten meldeten Gebietsansprüche auf die Antarktis an. Sei es, weil sie die nächstgelegenen Anrainerstaaten sind, wie Chile argumentiert hat, oder, weil sie als erste irgendein bestimmtes Gebiet in der Antarktis offiziell betreten haben. So argumentiere etwa Großbritannien. Es bestand also ein hohes Risiko, dass die Antarktis in ein Mosaik aus sich teils überlappenden Gebietsansprüchen zerfallen könnte. Im Hinterkopf gab es die Angst vor Atombombentests.

So wurde die Wissenschaft aktiv. Auf ihre Anregung hin entstand ein internationales wissenschaftliches Komitee für Antarktisforschung, in dem der Antarktisvertrag formuliert wurde. Der untersagte neue Gebietsansprüche und fror die schon gemachten ein. Außerdem verbietet er militärische Übungen oder den Abbau von Bodenschätzen.

Stattdessen darf die Antarktis ausschließlich für friedliche Zwecke wie Forschung und Tourismus genutzt werden, immer unter der Voraussetzung, dass ihr ökologisches Gleichgewicht dabei gewahrt wird. 1961 ist der Antarktisvertrag in Kraft getreten als der erste Vertrag nach dem Zweiten Weltkrieg, der Staaten in einer friedlichen Koexistenz organisieren konnte. Zu diesem Grundvertrag gibt es heute ein weites Netzwerk internationaler Vereinbarungen.

Wer hat den Antarktisvertrag unterschrieben?

Am 1. Dezember 1959 haben zwölf Staaten den Antarktisvertrag unterschrieben: Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen, die alle Gebietsansprüche in der Antarktis gestellt hatten, sowie Südafrika, die USA und die frühere Sowjetunion.

Inzwischen haben ihn mehr als 50 Staaten unterschrieben, aber ginge es nach der Vorsitzenden der Berliner Konsultativtagungen, Tania von Uslar-Gleichen, könnten es noch mehr sein. Je größer die Gemeinschaft sei, die sich für den Antarktisschutz zusammenfände, desto besser. Nicht alle Länder haben ein Stimmrecht. Um das zu bekommen, sind ein intensives Engagement um die Antarktis und Forschungen vor Ort notwendig. Deutschland ist dem Antarktisvertrag 1979 beigetreten, da es Forschungsstationen in der Antarktis betreibt, hat es auch Stimmrecht.

Was passiert, wenn jemand gegen den Antarktisvertrag verstößt?

So gut er auch funktioniert - der Antarktisvertrag ist eine zerbrechliche Utopie. Die Antarktis ist riesig und kaum besiedelt, so dass es auch niemand mitbekäme, würde etwa in unerlaubten Gebieten im großen Stil Fischfang betrieben. Der komplette Vertrag basiert auf Vertrauen und transparenter Kommunikation.

Politikwissenschaftler Patrick Flamm ist mit dem Hamburger Giga-Institut assoziiert und ein Experte für den Antarktisvertrag. Aus seiner Sicht könne letztlich jeder Staat machen, was er wolle, man habe nur seinen Ruf zu verlieren. Strenge Strafen gebe es nicht, der Antarktisvertrag würde zusammengehalten durch etwas, das als "Geist der antarktischen Kooperation" beschrieben würde. Kontrollen finden allerdings statt. Die Ärztin Birgit Steckelberg hat die deutsche Forschungsstation Neumayer III geleitet und berichtet von regelmäßigen unangekündigten Inspektionen der Forschungsstationen untereinander.

Was wird in der Antarktis erforscht?

Rund 80 Forschungsstationen befinden sich in der Antarktis. Im Sommer arbeiten hier einige tausend Forscher, im antarktischen Winter gerade mal 100. Die Forschungsgebiete umfassen Glaziologie (Gletscherkunde); Meteorologie, Klimaforschung, Geophysik, Biologie oder Meereskunde. Auch eine botanische Samenbank wurde im Eis angelegt, in der das genetische Material von Kultur- und Wildpflanzen aus der ganzen Welt lagert. Aber es findet auch Zukunftsforschung statt, die Reisen ins All einfacher machen könnte.

Auf der deutschen Forschungsstation Neumayer III gibt es das Projekt Eden-ISS, ein Gewächshaus, in dem kiloweise Salat, Gurken, Tomaten und Kräuter angebaut werden. Als Test, denn das Antarktis-Gewächshaus soll irgendwann auf dem Mars stehen.

Daniel Schubert ist einer der Projektleiter für Eden-ISS beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und erklärt, dass man dieses Gewächshaus zum Mars bringen und dort automatisch starten könne. Wenn dann die ersten Astronauten zum Mars kämen, könnten sie gleich anfangen zu ernten. Die Durchschnittstemperaturen auf dem Mars und in der Antarktis ähneln sich, deswegen funktioniert diese Art von Zukunftsforschung nur in der fast unberührten Eiswüste.

Welche Art von Tourismus gibt es auf der Antarktis?

Es gibt in der Antarktis keine Hotels, keinen Flughafen, und doch kamen vor Corona rund 75.000 Touristen pro Jahr in die Antarktis. Die Vorsitzende der Berliner Antarktis-Konferenz, Tania von Uslar-Gleichen, berichtet von einem zunehmenden Erlebnistourismus, dem Wunsch nach dem Erleben eines eiskalten Kontinents.

Es würden immer mehr extreme Berg- und Skiwanderungen nachgefragt, ebenso motorisierte Fahrten über das Eis, Paragliding und Rundflüge. Die Herausforderung dabei sei, den Tourismus in einem für die Antarktis verträglichen Maße zu halten. Machen die Touristen zu viel Lärm, stört das die empfindliche Tierwelt wie zum Beispiel den Kaiserpinguin. Schleppen sie unbemerkt antarktisfremde Samenkapseln ein, könnten invasive Arten die heimische Flora beschädigen.

Welche Rolle spielt die Antarktis beim Klimawandel?

Eine entscheidende, auch wenn das selten bewusst ist. Durch dieses riesige, eiskalte Gebiet wird das weltweite Klima stabilisiert, die eisige Kälte der Antarktis steuert die Zirkulation der Luft und der Ozeane. Ohne die Antarktis würde weltweit ein völlig anderes Klima herrschen. Noch ist die Antarktis nicht ganz so stark betroffen vom Klimawandel wie die Arktis im Norden, aber auch hier steigen die Temperaturen.

Das Meereis der Antarktis schmilzt schon langsam ab, richtig gefährlich würde es für die ganze Welt, wenn das Landeis schmelzen würde. An seiner mächtigsten Stelle ist der Antarktische Eisschild fast 5000 Meter dick. Würde das Landeis schmelzen, führte das zum Meeresanstieg auch an europäischen Küsten. Weltweit könnten Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren, und diese Gefahr sei angesichts des Klimawandels ganz real, heißt es beim Auswärtigen Amt.

 

Bianca Schwarz, HR, 24.05.2022 19:49 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. Mai 2022 um 23:59 Uhr.