Bericht zum Klimaschutz CO2 aus der Luft entnehmen - eine Lösung fürs Klima?
Der jährliche Ausstoß an Kohlendioxid steigt global weiter an. Kann die CO2-Entnahme aus der Luft eine Lösung für das Klima sein? Forschende haben den Stand der Technologien geprüft.
Der Ausstoß an Kohlendioxid steigt weiter an. Viele Staaten haben zwar begonnen, das Treibhausgas aus der Atmosphäre zu ziehen. Doch für einen ausreichenden Klimaschutz genügt das einem großen Report zufolge noch nicht. Am wichtigsten beim Klimaschutz bleibe es weiterhin, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu vermindern, betont das Team des Reports "The State of Carbon Dioxide Removal" um Erstautor Stephen Smith von der Universität Oxford.
Doch bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten die CO2-Entnahme und -Speicherung auf sieben bis neun Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr steigen, heißt es in dem Report. Nur dann könne die Erderwärmung wie in Paris vereinbart möglichst auf 1,5 Grad, zumindest aber auf deutlich unter zwei Grad, begrenzt werden.
Wie gut funktionieren CO2-Entnahme-Methoden?
Wenn wir das für das 1,5-Grad-Ziel mögliche CO2-Budget nicht überschreiten wollen, so der Bericht, muss CO2 muss auch mit verschiedenen Entnahme-Methoden - konventionellen und neuartigen - aus der Atmosphäre geholt und dauerhaft für Jahrzehnte bis Jahrtausende an Land, im Ozean und in geologischen Formationen gespeichert werden. Im globalen Report nennen Wissenschaftler, die weltweit auf dem Gebiet der Kohlendioxid-Entnahme forschen, jetzt dazu die neuen Zahlen.
Aufforsten von neuen Wäldern
Aktuell werden weltweit 2,2 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entnommen. Das gelinge, so die Forschenden, fast ausschließlich durch konventionelle CO2-Entnahme-Methoden. Allen voran mit 99 Prozent durch die Forstwirtschaft: das Wiederaufforsten von alten und das Aufforsten von neuen Wäldern. Die Wissenschaftler erwarten, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts die jährliche CO2-Aufnahme durch diese konventionellen Entnahme-Methoden noch leicht ansteigen.
Bis zum Jahr 2050 müssten aber die entnommenen CO2-Mengen auf sieben bis neun Gigatonnen pro Jahr weltweit gesteigert werden. Das sei nur erreichbar, so heißt es im Bericht, wenn neuartige CO2-Entnahme-Methoden weiter erforscht und im industriellen Maßstab ausgebaut werden. Dazu gehöre zum Beispiel die direkte CO2-Abscheidung aus der Luft mit anschließender Speicherung. Diese neuartigen Methoden existieren bisher aber eher im Labor oder in Pilotanlagen in einzelnen Ländern. Im Moment machen sie erst 0,1 Prozent der aktuellen CO2-Entnahme aus.
Nationale Langfriststrategie
Deutschland hat in seinem Klimaschutzgesetz festgelegt, dass bis zum Jahr 2045 die Treibhausgasneutralität - kurz das Netto-Null-Ziel - erreicht werden muss. Damit ist gemeint, dass man zwar Restemissionen - zum Beispiel aus der Zementproduktion - nicht vermeiden können wird, sie dann aber aus der Atmosphäre komplett entfernen muss.
Im Koalitionsvertrag ist dazu festgelegt, dass es eine "Langfriststrategie Negativemissionen" geben muss. "Dazu müssen wir uns in Deutschland darüber klar werden, welche Restemissionen wir uns leisten wollen", sagt Julia Pongratz, Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Derzeit geht man davon aus, dass im Jahr 2045 die CO2-Entnahme in der Größenordnung von 60 bis 130 Millionen Tonnen liegen wird."
Handlungsempfehlungen an die Politik
Pongratz ist die Sprecherin vom Forschungsprogramm CDRterra, in dem circa 100 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zusammenarbeiten. Sie haben unter anderem die Machbarkeit und Risiken viel versprechender CO2-Entnahmeverfahren an Land untersucht und einen Bewertungsrahmen aufgestellt.
Daraus haben sie Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung der nationalen Langfriststrategie erarbeitet. Sie soll skizzierten, welche der verschiedenen CO2-Entnahmeverfahren an Land auf den Weg gebracht und wie sie finanziert werden sollen.
Auch die Risiken der Entnahmeverfahren müssten bewertet und abgewogen werden, so Pongratz: "Wenn es Deutschland gelingt, ein sinnvolles Portfolio an CO2-Entnahme-Maßnahmen in der richtigen Größenordnung zu etablieren, dann wären wir damit in der Tat auch unter den Vorreitern in der EU." Das Ziel der nationalen Langfriststrategie müsse es auch sein, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft mitzunehmen.
Speicherung von industriell verursachtem CO2
In Deutschland war es bisher verboten, CO2 in Böden zu speichern. Seit vergangener Woche ist es erlaubt. Das Kabinett hat das CO2-Speichergesetz gebilligt. Damit hat Wirtschaftsminister Robert Habeck den Weg freigemacht, um industriell verursachtes CO2 unterirdisch zu speichern. Zum größten Teil sollen tiefe Gesteinsschichten in der hohen Nordsee als Speicher dienen.
Besonders Zement-, Chemie- und Stahlindustrie sind davon betroffen. Sie können ihre Produkte auch in Zukunft kaum mit grünem Strom oder Wasserstoff herstellen. Daher werden sie auch in Zukunft große Mengen an CO2 emittieren.
Kritik am Report
Der Report selbst verweist auf ein Manko seiner Zahlen: Es bleibe die Tatsache unberücksichtigt, dass sich einige Aktivitäten als kurzlebiger erweisen könnten - zum Beispiel aufgrund unerwarteter Störungen oder Missmanagements.
Allein der Erhalt der CO2-Speicher wie Wälder werde eine erhebliche Herausforderung darstellen, schreibt das Team und verweist auf zunehmende Auswirkungen des Klimawandels wie Niederschlagsänderungen, Waldbrände und die Ausbreitung des Borkenkäfers. Das werde wahrscheinlich die Lücke zum Erreichen der nötigen CO2-Entnahme vergrößern.