Fragen und Antworten Was der Kohle-Kompromiss bedeutet
Monatelang hat die Energiewirtschaft lobbyiert - nun ist die Kohle-Abgabe tatsächlich vom Tisch. Doch wie will der Bund die erhofften CO2-Einsparungen stattdessen erreichen? Und was genau steht drin im Kohle-Kompromiss? Ein Überblick.
Was hatte Gabriel eigentlich vor?
Deutschland hat sich verpflichtet, seinen CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren - droht dieses Ziel aber zu verfehlen. Darum wollte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Energiekonzerne mittels einer Strafabgabe dazu bringen, ihre Produktion zu drosseln. 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid sollten dadurch eingespart werden. Nach heftigen Protesten von Energielobby und Gewerkschaften legte das Wirtschaftsministerium im Mai ein abgeschwächtes Konzept vor. Demnach sollte die Kohle-Abgabe aber immerhin noch eine Einsparung von 16 Millionen Tonnen CO2 bringen.
Worauf hat sich die Koalition stattdessen geeinigt?
Die Kohle-Abgabe ist plötzlich komplett vom Tisch. Stattdessen sollen die Energieunternehmen zwischen 2017 und 2020 Braunkohle-Kraftwerke mit 2,7 Gigawatt Leistung vom Netz nehmen - das entspricht etwa der Kapazität von fünf größeren Meilern. Dadurch sollen die CO2-Emissionen um elf Millionen Tonnen sinken. Für die faktische Stilllegung der Kraftwerke sollen die Unternehmen eine finanzielle Entschädigung erhalten. Gewissermaßen wird die Abgabe also durch eine Prämie ersetzt.
Wie begründet Gabriel sein Einknicken?
Wirtschaftsminister Gabriel verteidigt sein Einknicken bei der Kohle-Abgabe in erster Linie mit der Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen: "Die Unternehmen und die Gewerkschaften haben uns gesagt, das wird nicht funktionieren, wir produzieren Tausende von Arbeitslosen", meinte Gabriel im ARD-Morgenmagazin.
Woher soll die fehlende CO2-Minderung kommen?
Die Braunkohlewirtschaft soll verpflichtet werden, von 2018 an zusätzliche 1,5 Millionen Tonnen einzusparen. Wie genau das gehen soll, ist noch offen. Daneben erhofft sich die Bundesregierung eine Minderung von vier Millionen Tonnen durch die stärkere Förderung von Gaskraftwerken. Die verbleibenden 5,5 Millionen Tonnen sollen - so heißt es wörtlich im Eckpunktepapier der Parteivorsitzenden - durch "Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich, in den Kommunen, in der Industrie sowie im Schienenverkehr erbracht werden".
Wer trägt die Kosten?
Grob gesagt bittet die Bundesregierung statt der Energiewirtschaft nun die Steuerzahler und Verbraucher zur Kasse. Die Maximalförderung für Gaskraftwerke wird von 750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro angehoben - was zunächst einmal private Stromkunden und mittelständische Unternehmen trifft, auch wenn es im Eckpunktepapier heißt, ein "Lastenausgleich" werde angestrebt. Für die "Energieeffizienzmaßnahmen" sollen bis 2020 öffentliche Mittel in Höhe von 1,16 Milliarden Euro fließen. Hinzu kommt die Entschädigung für die Energiekonzerne. Auch dafür wird vermutlich die Allgemeinheit aufkommen.
Wie fallen die Reaktionen auf die Einigung aus?
Umweltschützer zeigen sich enttäuscht. Kanzlerin Merkel habe "ihr Klimaversprechen von Elmau gebrochen", sagte Tobias Münchmeyer von Greenpeace. "Statt, wie beim G7-Gipfel angekündigt, den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten, lässt die Kanzlerin alle Träume der Kraftwerksbetreiber wahr werden." Auch von den Oppositionsparteien kam Kritik. Anstelle einer Belastung für schädliche CO2-Emissionen gebe es jetzt eine Belohnung, meinte Robert Habeck, grüner Umweltminister aus Schleswig-Holstein. Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft IGBCE, sprach hingegen von einer "tragfähigen Lösung", die "gut für das Klima, die Arbeitsplätze und die industriellen Standorte" sei.
Was wurde beim Energiegipfel sonst noch vereinbart?
Die CSU hat ihren monatelangen Widerstand gegen zwei neue "Stromautobahnen" in den Süden Deutschlands grundsätzlich aufgegeben. So verständigte sich die Koalition sowohl auf den Bau des sogenannten SuedLinks als auch auf die sogenannten Südost-Trasse. Allerdings: Der genaue Trassenverlauf ist weiterhin unklar - und dürfte für weitere harte Verhandlungen sorgen. Die Zustimmung der CSU wurden offenbar mit dem Zugeständnis erkauft, die Stromleitungen vorrangig unter statt über der Erde zu verlegen, um den Widerstand von Anwohnern zu reduzieren. Laut den Betreibern der Stromnetze wird dies zu erhebliche Verzögerungen und milliardenteuren Mehrkosten führen.
Wie reagiert die Börse?
Die Aktien des Energiekonzerns RWE stiegen bis zum Vormittag um fast fünf Prozent, die Papiere des Konkurrenten E.on legten immerhin um rund zwei Prozent zu. Die Erleichterung in der Branche und auch bei den Anlegern ist groß", meinte ARD-Börsenkorrespondentin Ellen Frauenknecht.