Ein Schild mit der Aufschrift "Genfood", aufgenommen vor einem gentechnisch veränderten Maiskolben auf einem Feld.

Klimawandel Warum Gentechnik unsere Ernährung sichern könnte

Stand: 08.02.2025 19:04 Uhr

Von Dürren bis Fluten: Der Klimawandel bedroht global den Zugang zu Lebensmitteln. Die Landwirtschaft muss sich daran anpassen. Forscher sagen: Die Gentechnik könnte dabei helfen - ihr schlechter Ruf täuscht.

Von Sharin Santhiraraja-Abresch

Der menschengemachte Klimawandel bedroht die globale Ernährungssicherheit - das zeigen zahlreiche Forschungsergebnisse. So sind etwa Ackerpflanzen auf bestimmte Umweltbedingungen angewiesen, damit sie besser wachsen und der Ernteertrag hoch ist. Klimatisch bedingte Veränderung können das ändern: Ohne Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel könnten die globalen landwirtschaftlichen Erträge bis 2050 um fünf bis 30 Prozent sinken, heißt es vom Bundesentwicklungsministerium.

"Die Landwirtschaft steht vor der Herkulesaufgabe unter Bedingungen des Klimawandels, bei gleichzeitiger Reduktion des Einsatzes von Dünger, Herbiziden, Pestiziden mehr zu produzieren für eine wachsende Weltbevölkerung", sagt Professorin Maria von Korff Schmising, Leiterin des Instituts für Pflanzengenetik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Grüne Gentechnik könnte laut Forschenden dabei ein wichtiges Werkzeug sein: Durch das Einbringen von spezifischen Genen in das pflanzliche Erbgut könnten Pflanzen widerstandsfähiger gegen ungünstige Umweltbedingungen gemacht werden -etwa gegen Klimawandel oder auch Krankheiten. "Mit grüner Gentechnik könnten wir Pflanzen so verbessern, dass sie weniger Dünger und Wasser benötigen und somit weniger Umweltauswirkungen haben", sagt Professor Liam Dolan vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) in Wien.

Anfänge mit Kreuzung und Mutagenese

Dabei ist die Veränderung pflanzlicher Gene nicht neu: Schon vor 10.000 Jahren haben Menschen laut Forschenden im Zuge der Domestizierung angefangen, pflanzliche DNA zu verändern. Dabei wurden Sorten einer Art, also etwa zwei verschiedene Sorten von Kartoffeln, miteinander gekreuzt. Dadurch können bestimmte Eigenschaften der jeweiligen Arten in einer Sorte kombiniert werden.

In den 1960er Jahren verbesserten dann Hochertragssorten wie Weizen, Reis und Mais die Ernährungssicherheit für viele Menschen - auch Grüne Revolution genannt. Die sogenannte Mutagenesezüchtung kurbelte die Entwicklung neuer Arten weiter an. Dabei werden Samen radioaktiv bestrahlt oder chemisch behandelt, um Mutationen auszulösen. Diese Veränderungen des Erbguts sind spontan und nicht anders als die, die in Pflanzen zufällig entstehen - nur einfacher und schneller, sagen Forschende.

Die Mutagenese zählt zu den konventionellen Züchtungsmethoden. Doch diese "können den genetischen Code auch an anderen, ungewünschten Stellen im Genom verändern und so unerwünschte Merkmale erzeugen", sagt Dolan.

Bakterium und Genom-Editierung

Vor etwa 40 Jahren entdeckten Forscher dann das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens. Es kann unbemerkt Pflanzenzellen befallen und DNA in das Genom der Pflanze einbauen, sodass sie beispielsweise bestimmte Proteine produziert. Das Bakterium war lange Zeit wichtig beim Einschleusen von artfremden Genen, da hier - anders als bei der Kreuzung - nicht Erbgut zwischen zwei Sorten, sondern verschiedener Arten wie Apfel und Birne kombiniert werden können. Allerdings kann nicht kontrolliert werden, an welcher Stelle der pflanzlichen DNA das Transgen, also das artfremde Gen, eingebaut wird.

Dabei ist das gentechnische Verfahren mit Agrobacterium tumefaciens keinesfalls unnatürlich, wie eine Studie zeigt. Zum Beispiel erhält die Süßkartoffel Gene des Bakteriums - und das schon bevor sie von Menschen auf Feldern angebaut wurde. Damit ist sie eine "natürlich entstandene transgene Nutzpflanze", heißt es.  

Die Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 hat die Gentechnik weiter präzisiert: Nun können bestimmte Teile des Erbguts gezielt verändert werden - ohne dass dabei andere Teile der DNA ungewollt verändert werden. Die Genschere wurde in Bakterien entdeckt, funktioniert aber in nahezu allen lebenden Organismen. Für die Methode wurde 2020 der Chemie-Nobelpreis verliehen. Anders als bei konventionellen Züchtungsmethoden wie der Kreuzung können bei der CRISPR/Cas9-Technologie gezielt gewünschte Merkmale verstärkt werden, erklärt Dolan.

Durch solche sogenannten Genom-Editierungsverfahren ließen sich "resistente Sorten züchten, die weniger Pestizide erfordern", so das Bundesforschungsministerium. Auch könnten Nutzpflanzen dadurch "besser an den Klimawandel und neu auftretende Schädlinge" angepasst werden.

Skepsis und Kritik - unbegründet?

Dennoch gibt es Skepsis gegenüber der Gentechnik - vor allem von Umweltschutzorganisationen. So schreibt etwa Greenpeace, Gen-Pflanzen bedrohten die Biodiversität und könnten die menschliche Gesundheit gefährden. Wissenschaftlich belegt ist das der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina bislang allerdings nicht: "Zahlreiche Sicherheitsstudien kommen zu dem Schluss, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen per se kein höheres Risiko ausgeht als von Pflanzen, die durch konventionelle Züchtungstechniken erzeugt wurden."

Stattdessen könnte Genom-Editierung dazu beitragen, "Landwirtschaft produktiver, pestizidärmer und ressourcenschonender zu betreiben sowie die Ernährung zu sichern und zu verbessern", so die Fachleute. Sie plädieren für einen differenzierteren Blick auf genomeditierte Pflanzen.

Pflanzengenetikerin von Korff Schmising schätzt Genom-Editierungsverfahren grundsätzlich sogar als sicherer ein im Vergleich zu Mutagenese oder Kreuzungszüchtung. Denn dabei würden gezielt Veränderungen in das Genom eingebracht. Bei der Mutagenese hingegen werden demnach ungerichtet tausende von Mutationen im Erbgut ausgelöst.

Und auch die klassische Kreuzung birgt Gefahren, wie die Kartoffelsorte Lenape zeigt. Kurz nach ihrer Markteinführung in den 1960er Jahren, musste sie wieder heruntergenommen werden. Berichten zufolge gab es Erkrankungen nach dem Verzehr. Grund dafür sei eine stark erhöhte Konzentration von Glykoalkaloiden gewesen.

Außerdem könnten die meisten der durch Genom-Editierung verursachten Mutationen auch in der Natur entstehen, sagt von Korff Schmising. So veränderte Pflanzen sind im Ergebnis nicht von klassisch gezüchteten Pflanzen zu unterscheiden. "Unter den gegebenen Bedingungen müssen wir uns gut überlegen, ob wir es uns leisten können, auf eine Methode zu verzichten."

Was passiert in der EU?

Einige gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sind zwar in der EU zugelassen, dürfen aber in den meisten Mitgliedsstaaten nicht angebaut werden. Als GVO gelten nur Pflanzen, die entweder durch das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens oder Genomeditierung verändert wurden. Die Mutagenese-Züchtung oder Kreuzung sind laut Bundesministerium dabei ausgeschlossen.

GVO unterliegen bei ihrer Zulassung viel strengeren Auflagen und Sicherheitsprüfungen als die Züchtungssorten. Die EU begründete das bisher mit dem Vorsorgeprinzip - also frühzeitig und vorausschauend zu handeln, um Belastungen der Umwelt erst gar nicht entstehen zu lassen. Europaweit appellierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Regeln zum Einsatz der gentechnischen Methoden zu lockern.

Offenbar mit Erfolg: Anfang 2024 beschloss das EU-Parlament, die Vorschriften für Genom-Editierung in der Landwirtschaft künftig zu lockern. Nun müssen die 27 Mitgliedsländer verhandeln. "Ich begrüße diese Entscheidung, fürchte nur, dass es vermutlich noch einige Jahre dauern wird, bis eine Neuregelung vorliegt", sagt von Korff Schmising. "Zeit, die wir nicht haben."