Trockenheit in Wäldern Robuste Baumarten gegen die Versteppung
Die UN fordern mehr Einsatz im Kampf gegen den Klimawandel. Doch dessen Folgen sind längst sichtbar. Hitze und Dürreperioden setzten dem deutschen Wald zu. Gelingt es, ihn an die veränderten Bedingungen anzupassen?
"Lebensgefahr durch herabfallende Äste und tote Bäume", steht auf dem Schild am provisorischen Holzzaun am Ende einer beliebten Joggingstrecke durch den Lennebergwald bei Mainz. Weiter geht es hier nicht.
"Es wäre echt fahrlässig, die Leute hier einfach laufen zu lassen", erklärt Förster Stefan Dorschel beim Spaziergang durch sein Revier. Abgesperrte Zonen wie diese gibt es im Lennebergwald mehrere, 20 Hektar sind nicht mehr begehbar. Die Bäume dort sind so geschädigt, dass sie zur Gefahr werden können.
Das Waldgebiet zwischen Mainz, Ingelheim und Budenheim erstreckt sich über 700 Hektar - eine grüne Lunge in einer Region mit wenig Wald. Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer suchen hier Erholung und Ruhe.
Folgen des Klimawandels
Immer öfter sind auch Schulklassen und andere Gruppen auf den Wegen unterwegs. Förster Dorschel bietet Führungen an, bei denen er die Folgen der extremen Trockenheit zeigt. Dabei richtet sich der Blick häufig nach oben, denn das Sterben eines Baumes beginnt in seiner Krone. "Wenn Sie den Klimawandel sehen wollen, dann sind Sie hier auf jeden Fall richtig", sagt Dorschel. Vor allem die Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 haben dem Wald stark zugesetzt, die Folgen sind dramatisch.
Kiefern und Buchen verschwinden
Zu den Besonderheiten des Lennebergwaldes gehört, dass der Boden hier besonders sandig ist. In Trockenperioden erhalten die Bäume noch weniger Wasser als anderswo, weil der durchlässige Sandboden die Feuchtigkeit nicht gut speichern kann. Die Folge: Hunderte jahrzehntealte Kiefern sind vertrocknet; überall im Wald klaffen offene Flächen. Dabei bestand der Lennebergwald einmal zu 60 Prozent aus Kiefern. Heute sind es noch höchstens 30 Prozent. "Tendenz fallend", ergänzt der Förster.
Auch Hunderte Buchen seien eingegangen, die Hälfte des Bestands sei geschädigt oder tot. "Am Anfang war das für uns alle hier im Team sehr schwer", erzählt Dorschel. "Unser Herz hat echt geblutet und wir haben total mitgelitten."
Inzwischen hätten er und seine Mitarbeiter sich damit abgefunden, dass nur einige wenige Kiefern überleben werden und dass sich ihr Wald grundlegend verändert. Täglich arbeiten sie nun dafür, dass der Lennebergwald überhaupt überlebt.
Dorschel arbeitet am Umbau des Waldes.
BUND: Nur noch jeder fünfte Baum gesund
"Dem deutschen Wald geht es so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht", sagt Jörg Nitsch, Sprecher des Arbeitskreises Wald beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Seit Beginn der Erhebungen sei der durchschnittliche Kronenzustand der Waldbäume noch nie so schlecht gewesen. Bei mehr als einem Drittel der Bäume seien die Kronen deutlich "aufgelichtet". Nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland sei gesund.
Die Situation habe sich "dramatisch zugespitzt", sagt Nitsch. Denn Trockenheit und Hitze hätten Wälder und Waldböden nicht nur ausgedorrt, sondern auch anfälliger gemacht. Waldbrände, Stürme und Schädlinge wie Borkenkäfer oder Nonnenfalter ließen ganze Bestände aus Fichten- und Kiefernmonokulturen zusammenbrechen.
Anpassung des Waldes an den Klimawandel
Aus dem aktuellen Waldzustandsbericht der Bundesregierung geht hervor: 277.000 Hektar Waldfläche in Deutschland müssen wieder aufgeforstet werden - eine Fläche etwas größer als das Saarland.
Fachleute setzen deshalb auf einen Umbau des Waldes: Weg von Fichten- und Kiefernwäldern hin zu Laubmischwäldern mit heimischen Baumarten. "Naturnahe Mischwälder sind viel stabiler und damit widerstandsfähiger gegen Klimastress", erklärt Nitsch. Doch dem BUND geht der Umbau des Waldes zu langsam: "Das muss noch viel stärker vorangetrieben werden, auch von der Politik."
Pflanzung klimastabiler Baumarten
Im Mainzer Lennebergwald hat der Waldumbau schon vor einigen Jahren begonnen. Auf den lichten Flächen pflanzen Förster Dorschel und seine Mitarbeiter Bäume nach. "Wir pflanzen ganz viele verschiedene Arten neu an", erklärt Stefan Dorschel, "zum Beispiel Eichen, Elsbeeren, Linden oder Buchen, und hoffen, dass sich dann die Robustesten durchsetzen".Holzzäune schützen die neuen, wenige Zentimeter hohen, zarten Gewächse vor Rehen und Wildschweinen.
Ob er seinen Wald dauerhaft damit retten kann? Der Förster wagt keine Prognose. Er fürchtet weitere Hitzesommer, die den Baumbestand noch stärker minimieren und auch den Jungpflanzen zusetzen könnten. "Im schlechtesten Fall wird unser Lennebergwald irgendwann eine Steppenlandschaft sein", fürchtet Dorschel. Im besten Fall setzen sich robuste Baumarten durch und passen sich an das veränderte Klima an, meint er: "Das wäre schön - für uns alle."