Ein Mann hat sich bei warmen Temperaturen einen Platz im Schatten am Ufer des Rheins gesucht.

Prognosen von Wissenschaftlern So wird der Klimawandel Deutschland verändern

Stand: 19.11.2024 10:47 Uhr

Mehr Hitze, mehr Krankheiten, mehr Starkregen: Wissenschaftler haben berechnet, welche Veränderungen der Klimawandel mit sich bringt. Aber was bedeutet das konkret für das Leben in Deutschland? Ein Überblick.

Von Christina Sianides, HR

Der Klimawandel wird das Leben vor unserer Haustür mehr und mehr beeinflussen - darin sind sich Wissenschaftler einig. Zu den Auswirkungen gehören nicht nur extremere Temperaturen, sondern etwa auch neue Gesundheitsgefahren. Gleichzeitig versuchen Städte und Kommunen, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Wie würde Deutschland in 25 Jahren aussehen - was wäre wahrscheinlich anders? Die Szenarien beruhen auf wissenschaftlichen Modellen und Planungen von Städten und Kommunen.

Wetter

Spätestens in 25 Jahren werde das Leben in vielen Teilen Deutschlands "ungemütlich", sagt Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Er ist dort Experte für die konkreten Auswirkungen des Klimawandels.

"Ungemütlich" heißt in diesem Fall: heißer, trockener und mehr Extremwetterereignisse. Konkret haben die Forscher für das Jahr 2049 berechnet, dass die Temperaturen in Deutschland gegenüber dem Beginn der Aufzeichnungen (1881) um durchschnittlich 1,9 bis 2,3 Grad steigen werden. Das mag überschaubar klingen, bedeutet aber unter anderem einen starken Anstieg der heißen Tage über 30 Grad. 

In Berlin etwa soll es nach den Berechnungen doppelt so viele heiße Tage geben wie zwischen 1971 und 2000. Damals waren es im Schnitt sieben bis zehn, 2049 sollen es bis zu 20 werden. In Stuttgart könnte es dann sogar bis zu 70 heiße Tage geben. Die warmen Tage über 25 Grad nehmen sogar noch stärker zu: Im Südwesten zwischen Wiesbaden, Mainz und Freiburg gab es zwischen 1971 und 2000 nicht mal 30 pro Jahr. In 25 Jahren werden es bis zu 80 sein, sagt Andreas Walter vom DWD - also fast zwei Monate mehr. 

Das Thermometer dürfte aber nicht nur immer häufiger, sondern auch immer höher steigen: Tage mit Temperaturen um die 40 Grad werden in 25 Jahren regelmäßig auftreten, so Walter. Die Zahl der tropischen Nächte mit mehr als 20 Grad nehme zu, in Winternächten werde es hingegen seltener frostig als heute.

Auch beim Niederschlag ändere sich bis Mitte des Jahrhunderts einiges: So soll es im Winter mehr, im Sommer weniger regnen. Weil es im Sommer neben länger werdenden Trockenperioden mehr Starkregen geben soll, könne es zu mehr Sturzfluten und Überschwemmungen kommen. Gerade in Städten mit vielen versiegelten Flächen kann das Wasser dann schlecht abfließen.

Städte

Die Gebäude und Wohnviertel in Deutschlands Städten werden sich verändern, sagt Peter Kreisl, Professor für Stadt- und Regionalplanung an der Frankfurt University of Applied Sciences. Zwar würden sie in 25 Jahren nicht komplett anders aussehen, aber vermutlich gebe es "mehr Grün, weniger Autos, mehr Schatten".

Festgelegt und konkretisiert wird das in Konzepten zur Anpassung an den Klimawandel. In vier Fünftel aller deutschen Kommunen sind solche Konzepte in Planung oder teilweise schon umgesetzt. Für größere Städte ist das besonders wichtig, denn sie bekommen die Folgen des Klimawandels am meisten zu spüren. Durch die dichte Bebauung und die vielen versiegelten Flächen seien Städte "wie Brenngläser des Klimawandels", sagt Matthias Garschagen, Professor für Geografie an der Uni München und Klimaanpassungsforscher.

In 25 Jahren werden in Deutschlands Städten also sehr wahrscheinlich deutlich mehr begrünte Dächer, Fassaden, Vorgärten und Hinterhöfe zu sehen sein. Entsprechende Pläne gibt es in allen größeren Städten. Denn klar ist: Mehr Grün ist das wirksamste Mittel des Kühlens. Bäume zum Beispiel senken die Temperatur nicht nur durch Schatten, sondern auch durch das Wasser, das sie über ihre Blätter verdunsten. Wenn etwa ein Hinterhof nicht betoniert, sondern entsiegelt und bepflanzt ist, kann das die Temperatur um bis zu zehn Grad senken. 

Ein mobiles Beschattungselement steht am Rossmarkt in Frankfurt.

Mobile Beschattungselemente wie hier am Rossmarkt in Frankfurt sollen immer öfter zum Einsatz kommen, um die Bevölkerung vor Hitze zu schützen.

In Fußgängerzonen, auf Spielplätzen und an Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel soll ebenfalls für mehr Schatten gesorgt werden - etwa durch Pflanzen, Sonnensegel oder mobile Beschattungselemente. Auch durch helle Oberflächen, Holzfassaden, Photovoltaik-Anlagen und Arkaden wollen Städte die Folgen des Klimawandels abmildern.

In öffentlichen Gebäuden sind in vielen Städten Trinkbrunnen vorgesehen. In Frankfurt ist es bei neuen Bauvorhaben der Stadt Pflicht, Türen und Tiefgaragen-Einfahrten 20 Zentimeter über Straßenniveau anzubringen, um vor Überflutung zu schützen.

Doch auch wenn sich Städte an veränderte Klimabedingungen anpassen können und vielerorts schon einiges auf den Weg gebracht wurde: In der Praxis braucht das viel Zeit und Geld.

Natur und Pflanzen

In der Pflanzenwelt zeigen sich die Folgen des Klimawandels schon jetzt besonders deutlich. Ein Waldspaziergang genügt, um sich selbst ein Bild davon zu machen. Laut Waldzustandsbericht 2023 ist nur jeder fünfte Baum in Deutschlands Wäldern gesund. Der Klimawandel sei "endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen", heißt es bereits im Waldzustandsbericht aus dem Jahr 2020. Und auch andere Pflanzen leiden unter den Folgen von Hitze, Trockenheit und Unwetter.

Dieser Trend wird sich in 25 Jahren weiter verschärft haben. "Die Zukunft unserer Wälder könnte so aussehen, wie Urlauber heute Wald im Süden Europas erleben", sagt Hans-Werner Schröck von der Forschungsanstalt für Waldökologie in Rheinland-Pfalz. Der Klimawandel werde die gesamte Natur rasant verändern, schreiben die Autoren von "Deutschland 2050". Zwar habe sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte immer verändert, aber nie so schnell wie heute: Der menschengemachte Klimawandel verlaufe etwa hundertmal schneller und überfordere damit die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen und Tieren.

Esche, Birke und Fichte, Gartenhortensie und Rhododendron etwa brauchen zu viel Wasser, um ohne weiteres im erhitzten Deutschland zu überleben. Sie werden immer seltener werden oder sogar ganz verschwinden. Im Südwesten und im Osten wird der Artenverlust laut einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz am höchsten sein, in Brandenburg kann er demnach sogar bis zu 50 Prozent betragen.

Im Gegenzug wandern neue Pflanzenarten aus anderen Regionen der Welt ein, die mit den Klimabedingungen besser zurechtkommen: so etwa der Seiden- und Lederhülsenbaum, die Purpurerle oder die Blumenesche. "Palmen wachsen hier inzwischen besser als Buchen", sagt Maximilian Weigand, Direktor des Botanischen Gartens in Bonn.

Welche Arten sich hierzulande am Ende tatsächlich durchsetzen, lässt sich jedoch nicht sicher vorhersagen. Denn die Bedingungen etwa in Südeuropa können nicht exakt auf das Deutschland der Zukunft übertragen werden.

Gesundheit

Die Veränderung des Klimas wirkt sich auf vielfältige Weise auf unsere Gesundheit aus. Der Klimawandel sei weltweit die "größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert", schrieben Wissenschaftler im Medizin-Fachblatt The Lancet bereits vor 15 Jahren. Er führt Fachleuten zufolge unter anderem dazu, dass Atemwegserkrankungen zunehmen, die Gefahr von Hautkrebs steigt und Allergiker stärker leiden, weil sich die Pollenflugsaison verlängert und neue allergene Pflanzenarten hier heimisch werden. Auch neue Mückenarten können sich durch die höheren Temperaturen ausbreiten und neue Krankheiten übertragen.

Doch die meisten Opfer wird es hierzulande durch die zunehmenden Hitzeextreme geben - da sind sich Experten einig. Hitze fordert Herz und Kreislauf heraus und kann uns im schlimmsten Fall sogar töten, heißt es etwa vom Robert Koch-Institut (RKI).

Während großer Hitzeperioden zeigt sich schon jetzt regelmäßig ein deutlicher Anstieg der Sterbefälle. Und Hitzewellen werden mehr und länger werden, sagen die Forscher des DWD. Besonders in stark erhitzten Städten sei die Gefahr für die Menschen dann besonders groß.

Wie viele Menschen hierzulande in Zukunft durch Hitzewellen sterben werden, lässt sich nicht vorhersagen. Klar ist aber: Es dürften mehr werden, wenn nicht vehement gegengesteuert wird.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 19. November 2024 um 10:25 Uhr.