Leihen statt kaufen Wie nachhaltiger Modekonsum zum Klimaschutz beiträgt
Gut ein Drittel der Kleidungsstücke in deutschen Schränken werden nur sehr selten oder gar nicht getragen. Ein Problem für die Umwelt - doch es gibt nachhaltige Lösungsansätze.
60 neue Kleidungsstücke finden jedes Jahr den Weg in den Kleiderschrank der Deutschen. Dabei werden im Schnitt 40 Prozent der Kleidung laut Bundesumweltministerium nie oder nur selten getragen. Der Konsum wird durch die Fast-Fashion Industrie geprägt.
Die Abstände von einem Modetrend zum nächsten schrumpfen: Bis zu 24 verschiede Kollektionen werden von großen Modeketten innerhalb eines Jahres angeboten. Allein durch die Produktion, den Warentransport und den Gebrauch - Waschen, Trocknen und Bügeln - von Kleidung werden jährlich mehr als 850 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden weltweit insgesamt 36,8 Milliarden Tonnen CO2 aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgestoßen.
Mode mieten statt kaufen
Das muss doch auch nachhaltiger gehen, findet Carina Braisch. Mit ihrer Kleiderei möchte sie in Stuttgart für einen umweltfreundlicheren Modekonsum sorgen: "Wir sind ein Fashion-Sharing-Konzept. Das heißt, bei uns kannst du Mode nicht nur kaufen, sondern du kannst bei uns auch leihen. Damit sind wir eigentlich ein großer gemeinschaftlicher Kleiderschrank, der ganz bunt und vielfältig gefüllt ist."
Wer leihen will, kann sich dafür anmelden. Für 29 Euro im Monat darf man bis zu vier Teile mitnehmen - und diese so oft tauschen, wie man möchte. 100 Mitglieder machen in Stuttgart schon mit und unterstützen den Gedanken "Let’s consume slower together", und auch in anderen Städten gibt es Kleidereien. Ein Statement gegen die Fast-Fashion Industrie.
Wir wollen Mode langsamer erleben, nachhaltiger und bewusster.
So nachhaltig ist leihen
Wie viele Ressourcen durch das Leihen von Mode gespart werden können, haben Miriam Bodenheimer vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und ihr Team im Projekt Ware2Share ausgerechnet: Im Vergleich zum Einzelkauf kann geteilte Mode rund 30 Prozent Treibhausgase, 30 Prozent Energieaufwand und 40 Prozent Wasser einsparen. „"Dadurch, dass man Kleidung leiht oder mietet, kann sie viel häufiger getragen werden. Studien zeigen, dass wir rund ein Drittel der Kleidung aus unserem Kleiderschrank so gut wie nie tragen. Ein Leih-Kleidungsstück kann oft bis zu 10-mal oder noch mehr vermietet werden", ordnet Miriam Bodenheimer ein.
Ihre Analyse zeigt: Meist lohnt sich das schon ab dem zweiten Mietzyklus für die Umwelt. Je öfter ein Teil geliehen und getragen wird, umso besser die Ökobilanz. Im Projekt konnte gezeigt werden, dass Mode leihen die tatsächliche Anzahl an Neukäufen reduziert und damit zur Minderung der Umweltauswirkungen der Modebranche beiträgt.
Dazu komme, dass viele Anbieter von Mietmodellen für Mode auf besonders langlebige Kleidungsstücke setzen, weiß Bodenheimer: "Für die Anbieter ist es von großem Interesse, dass die Kleidung nachhaltig und von sehr guter Qualität ist, die kann häufiger verliehen werden. Das ist wichtig für das Geschäftsmodell und gut für die Ökobilanz."
Künstliche Intelligenz gegen Retouren
Auch ohne Verleihsystem finden Kleidungsstücke oft den Weg zurück zum Händler. Von jährlich schätzungsweise 1,3 Milliarden zurückgeschickten Artikeln sind rund 90 Prozent Schuhe und Kleidung. Der mit Abstand häufigste Grund: Größe und Passform stimmen nicht. Viele Anbieter setzten deswegen inzwischen auf künstliche Intelligenzen wie die vom Start-up-Unternehmen SAIZ. Hier gleicht die KI die Produktdaten mit den Angaben und Erfahrungen der Kunden ab und empfiehlt die richtige Größe.
Marita Sanchez de la Cerda ist eine der Gründerinnen: "Das führt zu einer unglaublich hohen Genauigkeit bei den Größenempfehlungen. Darüber hinaus spielen wir die Auswertungen an die Unternehmen zurück. Die können dann produktspezifisch verstehen: Wie gut passen meine Produkte meiner tatsächlichen Zielgruppe?" Das langfristige Ziel sei es, die Herstellung von Kleidungsstücken zu optimieren. Denn nicht immer fällt die angegebene Kleidergröße bei jedem Hersteller gleich aus.
So sollen unter anderem Fehlbestellungen minimiert werden. Aktuell können laut Angaben von Saiz so schon sieben Prozent der Retouren vermieden werden. Für Teile, die doch den Weg zurück zum Händler gehen, hat Carina Braisch in ihrem Sortiment einen extra Platz: "An unserer Fair-Fashion-Stange hängen Teile, die auf dem kommerziellen Markt keine Verwendung mehr gefunden hätten. Sowas wie Samples, B-Ware, Retouren. Wir freuen uns, wenn wir denen hier noch mal ein zweites Leben schenken können."