Zahl der Schneetage So hart trifft der Klimawandel Skigebiete
Es fällt immer seltener Schnee in Deutschland. Das belegt eine Analyse bundesweiter Wetterdaten von BR Data und report München. Um Wintersport weiter zu ermöglichen, müssen die Bergregionen immer mehr Geld in die Hand nehmen.
Hoch über Garmisch-Partenkirchen, auf knapp 1700 Metern Höhe, beginnt die legendäre "Kandahar-Abfahrt". Seit 1954 stürzen sich die schnellsten Skiläufer der Welt hier hinunter im Kampf um die Podestplätze. Am vergangenen Wochenende hätte es wieder so weit sein sollen. Doch das Rennen wurde abgesagt. Zu wenig Schnee.
"Das ist sehr, sehr enttäuschend für uns. Einfach bitter", sagt Martina Betz, Präsidentin Organisationskomitee Ski-Weltcup Garmisch-Partenkirchen. Mittlerweile sind die Pisten zwar weiß, sogar eine Talabfahrt ist für Skitouristen möglich. Doch an ein Profirennen ist nicht zu denken. Im Zielbereich der Kandahar kniet sich Betz hin, schiebt mit den Händen ein bisschen Schnee zur Seite, sofort kommt das Gras zum Vorschein. "Hier fehlt ein halber Meter Schnee. Man kann hier mit bloßen Händen die Wiese freikratzen. Wir sind ganz, ganz weit weg von einer Art Grundstock, den man für ein Speedrennen präparieren kann."
Weniger Schnee in den Wintersportregionen
Die Tendenz ist eindeutig: Es gibt weniger Tage, an denen überhaupt Schnee liegt - sowohl deutschlandweit, als auch in den Wintersportregionen. Das belegt eine aktuelle Analyse von BR Data und dem ARD-Politikmagazin report München. In ganz Deutschland waren es in den 1960er-Jahren durchschnittlich noch 51 Schneetage - in den zehn Jahren vor 2022 nur noch etwa halb so viele.
Die in diesem Artikel verwendeten Daten stammen vom Deutschen Wetterdienst (DWD), wo sie für die Zeit seit 1951 vorliegen. Für die Daten hat der DWD ein Interpolationsverfahren verwendet. Dabei wurden Daten von Messstellen zur Schneehöhe auf Rasterflächen von 1x1km gerechnet. Lokal betrachtet kann es dadurch zu Ungenauigkeiten kommen. Über die konkreten Möglichkeiten für Wintersport treffen die Daten keine Aussage.
Oberhof im Thüringer Wald war einst die Kaderschmiede der DDR-Wintersportelite. Noch heute finden auf den Loipen, der Skisprungschanze und im Eiskanal große Wettbewerbe statt. 2023 sind es gleich zwei Weltmeisterschaften: Ende Januar die Rennrodel-WM und dann im Februar die Wettkämpfe im Biathlon.
100 Millionen für die Weltmeisterschaften
Damit das so bleibt, haben Land und Bund massiv investiert. Rund 100 Millionen Euro steckte die Politik in die Sportanlagen, um den Winter notfalls herbeizuzwingen. Dazu zählen moderne Kühlsysteme am Eiskanal oder Schneekanonen entlang der Langlaufstrecke. Doch die neueste Errungenschaft versteckt sich in einer grauen Halle: Rund 7500 Kubikmeter Schnee, die durch ein Rohrsystem in der Halle erzeugt werden. Seit diese im vergangenen September in Betrieb gegangen ist. Die riesige Halle ist zugleich Schneefabrik und -depot in einem - eine Art eisige Lebensversicherung für viel zu milde Wintertage.
Oberhof geht es wie anderen großen Skigebieten der Mittelgebirge. Hier macht sich der Klimawandel besonders stark bemerkbar. 100 Tage im Jahr gelten laut Umweltbundesamt als Grenze für einen profitablen Skibetrieb, viele Skigebiete in Mittelgebirgslagen unterschreiten diesen Wert bereits.
Klimaneutraler Kunstschnee?
Der Aufwand, um vor allem in Mittelgebirgen weiter weiße Skipisten anbieten zu können, ist groß. In Oberhof geschehen die Maßnahmen so umweltverträglich wie möglich, sagt Hartmut Schubert, Staatssekretär im Finanzministerium Thüringen und offizieller Oberhof-Beauftragter. Die Abwärme der Maschinen soll umliegende Hotels beheizen, Solaranlagen seien im Aufbau. Für den Kunstschnee werde Schmelzwasser wiederverwendet.
Dennoch: Trotz moderner Technik sei Wintersport in Oberhof nur noch für zehn bis 15 Jahre planbar, sagt Schubert. Für die Zeit danach brauche es neue Ideen - die Region sei aber bereit, daran mitzuarbeiten. Sommer-Biathlon beispielsweise, mit Rollen auf Asphalt, statt auf Schnee.
Kritiker sagen: Diese Ideen müssen die Wintersportorte jetzt umsetzen, nicht irgendwann in einigen Jahren. Sebastian König vom Bund für Umwelt und Naturschutz drängt, die Region dürfe nicht warten, bis es einen "großen Knall" gebe und die Wintersportverbände ihre Wettkämpfe in Oberhof streichen.
Keine Unterstützung durch den Weltverband
In Garmisch-Partenkirchen bleibt Betz erstmal nur die Hoffnung auf mehr Schnee und kältere Temperaturen im kommenden Winter, um dann wieder einen Abfahrts-Weltcup auf der "Kandahar-Abfahrt" veranstalten zu können. Denn auch die Schneekanonen funktionieren nur bei Minusgraden. Der Ski-Weltverband FIS will jedenfalls keine Zugeständnisse machen. Auf Anfrage von report München antwortet er lediglich, der Klimawandel betreffe alle. Es liege an den Skigebieten selbst, die Bedingungen zu schaffen, um eine erfolgreiche Wintersaison zu haben.
Tradition hin oder her - bleibt der Schnee weg, wird es eng für Deutschlands Skigebiete. Je wärmer es wird, desto aufwändiger und teurer wird der Kampf um jeden Pistentag.