Gaspipeline mit der Aufschrift H2-Ready

Klima-Fakten Heizen mit Wasserstoff bleibt wohl Ausnahme

Stand: 29.01.2025 08:57 Uhr

Die Gaslobby bewirbt Heizen mit Wasserstoff als klimafreundliche künftige Alternative zum Heizen mit fossilem Erdgas. Fachleute warnen vor einer Kostenfalle für Verbraucher.

Von Stefanie Peyk, SWR

"Gut fürs Klima, gut für den Geldbeutel" - unter dieser Überschrift wirbt der baden-württembergische Gas-Verteilnetzbetreiber Netze Südwest im Internet fürs künftige Heizen mit Wasserstoff, chemisch H2. Für Privathaushalte biete die Nutzung von sogenannten H2-ready-Gasheizungen einen "günstigen Weg in die Klimaneutralität". Fachleute allerdings bestreiten das.

H2-ready nennt die Heizungsindustrie Gasheizungen, die im Gasnetz eine Beimischung von 20 Prozent Wasserstoff vertragen. Das tun alle Modelle auf dem Markt. Manche Geräte können auf 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet werden - das ist auch das, was das Heizungsgesetz verlangt.

Zwar ist zumindest "grüner Wasserstoff" tatsächlich klimaneutral, denn er wird gewonnen, indem man Wasser mit Hilfe von Ökostrom in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Damit zu heizen, dürfte aber teuer werden und auch in Zukunft die Ausnahme sein, sagen Wissenschaftler.

Dezentrales Heizen mit Wasserstoff ineffizient

Inzwischen gibt es zahlreiche unabhängige Studien zum Heizen mit Wasserstoff. "Unabhängig" heißt, dass sie zum Beispiel nicht im Auftrag der Gasbranche, der Heizungsindustrie oder von Wärmepumpenherstellern erstellt wurden. Der Energiepolitik-Experte Jan Rosenow von der international aktiven Energiewende-Denkfabrik Regulatory Assistance Projekt (RAP) wertet solche Publikationen regelmäßig aus.

In keiner einzigen von mittlerweile über sechzig erfassten Studien tauche Heizen mit Wasserstoff als kostengünstige Option für die Zukunft auf, sagt er. Stattdessen schnitten Wärmepumpen, Fernwärme und eine gute Gebäudedämmung deutlich besser ab. Denn das Heizen mit grünem Wasserstoff ist vergleichsweise ineffizient und braucht fünf bis sechs Mal mehr Strom als eine Luft-Wärmepumpe zu betreiben, sagt Rosenow dem SWR. "Bei der Wärmepumpe stecken wir eine Kilowattstunde Strom hinein und bekommen am Ende ungefähr drei Einheiten Wärme wieder heraus. Beim Wasserstoff dagegen stecke ich eine Einheit Strom hinein und bekomme nur rund eine halbe Einheit Wärme heraus."

Fürs Heizen mit grünem Wasserstoff würden also viel mehr Windräder und Solaranlagen benötigt. Das würde die Sache für die Verbraucher künftig deutlich teurer machen, meint Rosenow.

Grüner Wasserstoff dürfte vorerst knapp bleiben

Erst im Januar hat eine neue Studie im Fachmagazin Nature Energy gezeigt, dass die globale Produktion von grünem Wasserstoff weit hinter den Plänen herhinkt. Und grüner Wasserstoff wird in absehbarer Zeit viel dringender in Bereichen gebraucht, wo es keine oder kaum klimafreundliche Alternativen gibt, sagt Energieexperte Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien.

Das wären etwa die Stahl- und die Chemieindustrie genauso wie die Produktion von synthetischen Kraftstoffen für den Luft- und Schiffsverkehr. Laut Umweltbundesamt wird Wasserstoff außerdem direkt als Brennstoff in Gaskraftwerken nötig sein. Damit lassen sich zum Beispiel Engpässe im Stromnetz ausgleichen, wie bei Dunkelflauten, wenn Windparks und Solaranlagen kaum Strom produzieren.

H2-ready-Heizungen könnten zur Kostenfalle werden

Für Umweltökonom Jan Rosenow ist es Greenwashing, wenn die Gasbranche von H2-ready-Heizungen spricht. Diese Heizungen seien zwar potenziell in der Lage, Wasserstoff zu nutzen. Es sei aber überhaupt nicht klar, ob das in der Realität jemals geschieht.

Wenn ich eine Garage habe, kann ich auch sagen, die ist 'Ferrari-ready'. Ich könnte da ein sehr teures Sportauto drin parken. Das macht kaum jemand, weil es zu teuer ist. Und ganz ähnlich ist es auch mit den H2-ready-Heizungen.
Jan Rosenow, Umweltökonom

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich nicht blenden lassen. Die Heizungen könnten bereits zur Kostenfalle werden, bevor sie überhaupt Wasserstoff verbrennen. Denn der Einbau einer solchen Heizung bedeute, dass man zunächst weiter klimaschädliches fossiles Erdgas nutzt. Das aber werde wegen der CO2-Bepreisung teurer. Und wenn die Gasnetze auf Wasserstoff umgestellt werden, müsste eine kleiner werdende Zahl von Gaskunden nicht nur den ebenfalls teuren oder sogar teureren Wasserstoff kaufen, sondern auch den Umbau und den weiteren Betrieb der Netze mitfinanzieren, warnen Umweltorganisationen.

Was steckt hinter der Werbung fürs Heizen mit Wasserstoff?

Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin Christina Deckwirth vom Verein LobbyControl ist klar: Die Gaslobby hat ein Interesse, ihr Geschäftsmodell - den Verkauf von Gas - und auch die Gasnetze zu erhalten. Das gehe von den großen Gasförderern über Gashändler bis hin zu Gasnetzbetreibern und zum Teil auch Stadtwerken. "Die Wasserstoff-Erzählung dient dazu, diesen ganzen Prozess der Wärmewende aufzuhalten. Die Erzählung vom Wasserstoff ist praktisch eine Lizenz zum Nicht-Handeln."

Dass das umstrittene Heizungsgesetz den Einbau von Gasheizungen weiterhin zulässt, wenn sie auf die Verbrennung von 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar sind, sei ein Erfolg der Gaslobby. Es entstehe der Eindruck: Wir müssen nur auf den grünen Wasserstoff warten, dann kann erst mal alles so bleiben, wie es ist. Das hält Deckwirth für fatal. Denn so werde wertvolle Zeit verloren auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Immerhin gebe es inzwischen etliche Stadtwerke, die erkannt hätten, dass das Heizen mit Wasserstoff keine Zukunft hat. Das zeige sich auch daran, dass Dutzende Stadtwerke aus der Lobbyorganisation "Zukunft Gas" ausgetreten sind, die heute als "Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft" firmiert. Der börsennotierte Energieversorger MVV hat bereits angekündigt, das Mannheimer Gasnetz bis 2035 stillzulegen.

Wann Heizen mit Wasserstoff sinnvoll ist

Trotz allem gibt es Ausnahmen, wo Wasserstoff in Zukunft sinnvoll zum Heizen eingesetzt werden kann. Energiepolitik-Fachmann Rosenow nennt als ein Beispiel die Abwärme von Elektrolyseuren, die mit Hilfe von Ökostrom Wasserstoff produzieren. "Dabei entstehen relativ hohe Abwärme-Verluste. Diese Abwärme in Fernwärmenetzen beispielsweise zu nutzen, macht total Sinn." Auch in Fernwärme-Netzen, wo die Wärme mit Hilfe von Großwärmepumpen oder Solarthermie erzeugt wird, käme es in Frage, für wenige Stunden im Jahr mit Wasserstoff zuzuheizen, meint Fraunhofer-Wissenschaftler Pfluger. Dagegen wäre es ein Fehler, darauf zu wetten, dass grüner Wasserstoff künftig großflächig dezentral in Gebäudeheizungen eingesetzt wird.

Das belegen auch die Wärmepläne von mehr als 120 baden-württembergischen Kommunen. Das Heidelberger Ifeu-Institut hat sie ausgewertet. Und Wasserstoff zum Heizen für Privathaushalte ist dabei nur vereinzelt vorgesehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der SWR "Wissen aktuell - Impuls" am 28. Januar 2025 um 16:05 Uhr.