Blick ins All Weltgrößtes Radioteleskop im Bau
Ein riesiges Radioteleskop namens "Square Kilometer Array" soll dabei helfen, mehr über das Universum und seine Entstehung zu erfahren. Was macht dieses Radioteleskop so besonders?
Es sieht aus wie mehrere riesige Felder glänzender Weihnachtsbäume, mitten im roten Outback von Australien - zumindest, wenn es einmal fertig ist. Und das ist nur einer von zwei Teilen des "Square Kilometer Array"-Radioteleskops, oder kurz: SKA. Es gilt als eines der größten Forschungsinstrumente und ehrgeizigsten wissenschaftlichen Projekte des 21. Jahrhunderts. "Square Kilometer" heißt das Teleskop deswegen, weil seine mehr als 130.000 Antennen nach Fertigstellung zusammengenommen einen halben Quadratkilometer Empfangsfläche bieten. Anfang Dezember 2022 wurde nach jahrzehntelangen diplomatischen Verhandlungen über die Finanzierung mit dem Bau begonnen.
Auf zwei Kontinenten
In voller Ausbaustufe soll das Teleskop mit 131.072 tannenbaumähnlichen Antennen von zwei Metern Höhe in Australien und weiteren 130 Parabolantennen mit jeweils 15 Metern Durchmesser in Südafrika Geheimnisse unseres Universums entschlüsseln.
Die beiden Antennenfelder erstrecken sich über große Distanzen. In Australien sind die kleineren Drahtantennen über 65 Kilometer verteilt, die Parabolspiegel in Südafrika über 150 Kilometer. Die beiden Antennenfelder mustern den Himmel in unterschiedlichen Frequenzbereichen und schauen im Regelbetrieb in unterschiedliche Richtungen. Doch wenn etwas Besonderes im All passiert, können beide Teleskopfelder miteinander verkoppelt werden und gleichzeitig dasselbe Objekt in den Blick nehmen.
Auch Radioteleskope suchen nach Licht
Sichtbares Licht macht nur einen kleinen Teil des elektromagnetischen Spektrums aus. Oberhalb des sichtbaren Lichts, also bei höheren Schwingungsfrequenzen der elektromagnetischen Wellen, beginnen die Bereiche von ultravioletter Strahlung sowie Röntgen- und Gammastrahlung. Unterhalb des sichtbaren Lichts, also bei niedrigerer Frequenz, beginnt der Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Im Infrarot arbeitet beispielsweise das James-Webb-Weltraumteleskop. Bei noch geringeren Wellenfrequenzen spricht man von Radiostrahlung.
Auch das Radioteleskop schaut sich also Licht an, aber Licht einer anderen als der sichtbaren Frequenz. Es ist eine Art technisches "Auge" für Radiostrahlung. Würden Menschen "Radio-Augen" haben, so der Bonner Astrophysiker Michael Kramer im Interview mit dem SWR, "dann würde das Universum für uns ganz anders aussehen."
Tiefer Blick in die Vergangenheit des Universums
Mit dem neuen Radioteleskop wollen die Forschenden herausfinden, wie die ersten Sterne und Galaxien entstanden sind. "Wir wissen bis heute nicht: Was ist die dunkle Energie? Was ist die dunkle Materie?", sagt Michael Kramer, Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Sind die Gravitationsgesetze in der Relativitätstheorie von Albert Einstein korrekt oder nicht? All das sind Fragen, die wir noch nicht beantworten können. Und da wird das Teleskop sehr hilfreich sein, uns der Antwort zumindest näher zu bringen."
Das Universum war, so Kramer, nach dem Urknall zunächst sehr heiß, kühlte dann zwar ab, blieb aber noch sternenlos. Erst später habe die Gravitation angefangen, den überall vorhandenen Wasserstoff zu "verklumpen". Dadurch seien schließlich die ersten Sterne entstanden. Mit ihrer Strahlung ionisierten sie den Wasserstoff in ihrer Umgebung, das heißt den Wasserstoffatomen wurden ihre Elektronen "entrissen".
Informationen über Entstehung von Galaxien
Das schwache Radiosignal von sehr niedriger Frequenz, das dabei entsteht, wollen die Astrophysiker mit dem SKA-Weltraumteleskop empfangen und genauer untersuchen. Damit soll besser verstanden werden, wie nach dem Urknall aus gewöhnlichem Wasserstoff als Startmaterial die ersten Galaxien, Sterne und Schwarzen Löcher entstanden sind.
"Es gibt keine andere Methode, diese Wellen tatsächlich sichtbar zu machen", sagt Kramer "beziehungsweise zu vermessen und damit das Signal zu suchen, um zu schauen, wie das Universum sich entwickelt hat. Es gibt viele Objekte, die man nur im Radiobereich beobachten kann, zum Beispiel Radiopulsare oder das Licht von Schwarzen Löchern."
Bis zu hundertmal empfindlicher als bisherige Teleskope
Im Endausbau wird das Teleskop nach Einschätzung des Astrophysikers Kramer bis zu hundertmal empfindlicher sein als die Radioteleskope, die den Forschenden momentan zur Verfügung stehen. Das SKA kann insbesondere auch die Radiostrahlung aus den Frühzeiten des Universums einfangen. Radiowellen, die seit Milliarden von Jahren durchs All wandern, verringern durch die Ausdehnung des Weltalls nach und nach ihre Frequenz. Wenn man weit in die Vergangenheit schauen will, so Kramer, müsse man das daher bei niedrigen Frequenzen tun. Dafür seien die Antennen gedacht.
An den abgelegensten Orten der Welt
Die Regionen, in denen die Antennen aufgebaut werden, zählen zu den abgelegensten Orten der Welt. Denn ein derart empfindliches Teleskop fängt auch viele für die Forschung störende Signale ein, wie zum Beispiel Handysignale und Radiosender. "Wenn Sie ein Mobiltelefon auf dem Mond positionieren würden, dann wäre selbst in der Entfernung Erde-Mond das Mobiltelefon die drittstärkste Radioquelle im Himmel", so Kramer.
Jene Quellen, die sich die Forschenden anschauen wollen, wie zum Beispiel auch die Signale aus dem frühen Universum, sind aber bis zu eine Milliarde Mal schwächer. Um Störungen zu vermeiden, werden die Teleskope daher in Regionen mit wenig Zivilisation gebaut. Beide Standorte, in Australien wie auch in Südafrika, liegen in sogenannten "radiostillen Zonen". In ihnen ist es per Gesetzgebung verboten, Radiosender aufzustellen.
Deutsche Forschungspolitik fremdelt mit dem Projekt
Zu den Gründungsmitgliedern des SKA-Konsortiums gehörte im Jahr 2011 auch Deutschland. 2015 allerdings stieg die Bundesregierung aus finanziellen Gründen aus dem Projekt aus. In der Community der Radioastronomie wurde das allgemein bedauert - zumal Deutschland an einem wichtigen Vorgängerprojekt in Südafrika führend beteiligt war. Seit 2019 vertritt nun die Max-Planck-Gesellschaft die Interessen der deutschen Forscher im Kreis der SKA-Nationen. Keine Ideallösung, aber auf diese Weise können sich die deutschen Radioastronomen weiter einbringen und die Daten in vollem Umfang nutzen.
Astrophysiker Kramer rechnet damit, dass 2027 die ersten Antennen in Betrieb genommen werden können. Das SKA sei insofern auch ein besonderes Teleskop, als man mit ihm schon arbeiten könne, während es noch im Bau sei: "So gesehen freue ich mich riesig darauf, dann diese Daten auch zu Gesicht zu bekommen."