Nach Unwettern in Libyen Internationale Hilfe und neue Gefahren
Noch immer werden in Libyen Tausende Menschen vermisst. Auch internationale Rettungsteams sind nun vor Ort - und warnen bereits vor neuen Gefahren. Zudem droht im Nordosten des Landes ein Staudamm zu brechen.
Nach und nach trifft sie ein, die dringend erwartete Hilfe aus dem Ausland. Aufnahmen der Nachrichtenagentur Reuters zeigen, wie Hilfslieferungen aus Algerien am Flughafen Mitiga in Libyens Hauptstadt Tripolis ankommen. Güter werden aus den Bäuchen der Flieger auf das Rollfeld geladen, eine Suchmannschaft steht bereit.
Im Laufe des Tages sind mehrere internationale Rettungsteams in Libyen angekommen. An Tag drei nach den verheerenden Überschwemmungen müssen noch immer Leichen geborgen werden. Tausende Menschen gelten nach wie vor als vermisst.
Weitere Überflutungen drohen
Und mit fortschreitender Zeit stehen die Helferinnen und Helfer vor neuen Herausforderungen. Man trete jetzt in die nächste Phase der Katastrophe ein, nämlich die der Umweltproblematiken, prognostiziert Ossama Ali, Sprecher des libyschen Ambulanz- und Notfalldienstes in Tripolis:
Auf den Straßen liegen Leichen und tote Tiere, das Trinkwasser vermischt sich mit dem Kanalisationswasser - all das sind die Vorboten einer Umweltkatastrophe. Dieses Problem wird sich nicht in zwei oder drei Tagen lösen lassen; damit werden wir die nächsten Wochen zu kämpfen haben.
Und noch etwas bereitet den Menschen Sorge: Der Gaza-Staudamm im Nordosten des Landes könnte nach Angaben des libyschen roten Halbmondes zusammenbrechen. In dem Fall drohten große Wassermengen in die Ortschaften Barsees, Al Mabni, und Bograr zu strömen.
Bereits in der Nacht zu Montag waren zwei Staudämme in der Nähe der Stadt Darna gebrochen. Die Flut riss Schätzungen zufolge mehr als 5.000 Menschen in den Tod und machte Darna zu der am meisten betroffenen Stadt.
Warnung vor Wut über Krisenmanagement
Über den Fakt, dass die Staudämme überhaupt brechen konnten, regt sich mittlerweile vereinzelt Wut. Der politische Analyst Ibrahim BelQassem sieht in der Flutkatastrophe ohnehin einen Nährboden für politische Unruhen im Bürgerkriegsland Libyen. "Der Grund für die Revolution 2011 war, dass viele Menschen von der Unfähigkeit der Behörden genug hatten. Die Flutkatastrophe lässt die politische Führung wieder instabil, zögerlich und unfähig erscheinen", so BelQassem. "Wenn man ehrlich ist, könnte dieses schlechte Krisenmanagement in den kommenden Tagen zu einer öffentlichen Wut führen. Das wäre für alle Menschen im Land fatal."
Allein in der Stadt Darna dürften laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration mehr als 30.000 Menschen ihr Zuhause verloren haben. Und auch in weiteren Städten sind Tausende Menschen obdachlos. Ein weiterer Dammbruch könnte diese Zahl weiter in die Höhe treiben.