ECOWAS-Sanktionen gegen Niger Vereint gegen die Militärjunta?
Während Tausende Menschen in Niger für die Junta auf die Straße gehen, sorgt der Militärputsch international für scharfe Kritik. Die ECOWAS-Staaten verhängen nun Sanktionen. Doch das Land zu isolieren, dürfte schwierig werden.
Dieser Sonntag, der 30. Juli, wird der nigrischen Bevölkerung im Gedächtnis bleiben. Vor einem ziegelroten Gebäude der französischen Botschaft in Niamey demonstrieren Tausende Menschen. Sie versuchen, sich ihren Weg in das Gebäude zu bahnen, schlagen Scheiben ein, reißen das Schild mit der Aufschrift "Ambassade de la République Francaise" ab, treten darauf herum und hängen an dessen Stellen nigrische und russische Flaggen auf. Die Menge skandiert Parolen wie: "Es lebe Putin", "Es lebe Russland" und "Nieder mit Frankreich".
Rund 900 Kilometer weiter im Südosten, in der Hauptstadt Nigerias, Abuja, treffen sich unterdessen Vertreter der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Vor allem der Gastgeber, der neue nigerianische Präsident Bola Ahmed Tinubu, tritt bestimmt auf. Er stellt Forderungen an die Putschisten in Niamey. "Dazu gehört die körperliche Unversehrtheit von Präsident Bazoum sowie die Freiheit als auch die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik Niger."
ECOWAS: Maßnahmen können Gewalt einschließen
Sieben Tage hätten der Chef der Präsidentengarde, Omar Tchiani, und seine Militärs Zeit, den Staatsstreich vom vergangenen Mittwoch rückgängig zu machen. Andernfalls halte man sich alle Möglichkeiten offen. Es heißt explizit: Die Maßnahmen könnten auch Gewalt einschließen. Es wäre ein Novum in der Geschichte der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Bereits jetzt gelten Wirtschafts- und Handelssanktionen. "Zuerst schließen wir die Grenzen zwischen Niger und den Nachbarstaaten, die der Afrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion angehören", sagt Omar Touray, Präsident der ECOWAS-Kommission. "Zweitens sind ab sofort Flüge über die Union untersagt, die aus Niger kommen oder dorthin führen. Und drittens setzen wir sämtliche Handels- und Finanztransaktionen aus."
Die Sanktionen sollen vor allem die Putschisten persönlich treffen, wie Touray, der ehemalige Außenminister von Gambia, betont. Dazu gehörten "Reiseverbote für die Männer, die diesen Staatsstreich durchgeführt haben". Ihre finanziellen Vermögenswerte würden eingefroren, ihr Vermögen beschlagnahmt.
Unklar, ob Nachbarländer Sanktionen mittragen
Doch genau hier liegt das Problem, meint der nigerianische Politikwissenschaftler Abubakar Umar Kari. Niger teilt zwar eine lange Grenze mit Nigeria und auch mit dem kleinen Benin, doch eben auch mit Burkina Faso und Mali. "Burkina Faso und Mali tragen denselben Schuh wie Niger", sagt Umar Kari. "Sie wurden aus der ECOWAS ausgeschlossen und werden von allein wohl kaum Sanktionen erheben, weil sich auch dort die Militärs an die Macht geputscht haben."
Der Übergangspräsident des Tschad, Idriss Déby Itno, reiste zudem am Sonntag nach Niamey, um mit den Putschisten zu sprechen. Und selbst bei Nigeria, das derzeit so bestimmt auftritt, ist sich der Wissenschaftler nicht sicher, wie lange Präsident Tinubu diese harte Position durchhalten kann. "Nigeria und Niger sitzen im selben Boot, wenn es um den Kampf gegen den Terrorismus geht", sagt Umar Kari. "Es wäre besser für beide, wenn sie zusammen statt gegeneinander arbeiten."
Niger sei eines der entscheidenden Länder im Kampf gegen den dschihadistischen Terrorismus, meint der nigerianische Sicherheitsexperte Kabiru Adamu. An den Grenzen zu Nigeria, Burkina Faso und Mali befinden sich Terroristen aller Couleur: von Boko Haram, Al-Kaida und der IS-Terrormiliz. "Und leider hat der Putsch wohl zur Folge, dass Niger sich aus dieser Zusammenarbeit zurückziehen wird", so der Sicherheitsexperte. "Vor allem, wenn die Welt beschließen sollte, die Junta zu isolieren. Die internationale Zusammenarbeit gegen den Terrorismus wäre dann bedroht."
Putsch könnte Folgen für französische Energie haben
Vor allem Frankreich muss nun befürchten, dass derselbe Film wie in Nigers Nachbarschaft in Mali und in Burkina Faso noch einmal abgespielt wird: antifranzösische Ressentiments und ein Abwenden hin zu Moskau.
Dieses Mal aber geht es für die Franzosen auch um ihre heimische Energie. Über 30 Prozent des Urans, das Frankreich für seine Atommeiler braucht, bezieht es aus Niger. Wohl auch deshalb stellte Präsident Emmanuel Macron klar: Frankreich werde auf jeden Angriff auf seine Staatsbürger, Diplomaten und Einrichtungen sofort und unnachgiebig antworten.