Sudan Kein Ende der Kämpfe in Sicht
Im Sudan ist der erneute Versuch einer Waffenruhe gescheitert. Die Kämpfe gingen unvermindert weiter. Während die Lage der Bevölkerung immer prekärer wird, bemüht sich die Bundesregierung weiter um eine Evakuierung für Ausländer.
Die Situation der Bevölkerung im Sudan wird wegen der andauernden Kämpfe immer verzweifelter. Die Menschen geraten nach Aussagen von Anwohnern und Hilfsorganisationen jeden Tag mehr zwischen die Fronten. Trotz eines erneuten Versuchs einer Waffenruhe ging die Gewalt zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen "Rapid Support Forces" (RSF) weiter.
Eine Verhandlungslösung schloss die Armee aus. "Es wird keine bewaffneten Kräfte außerhalb des Militärs geben", teilte das Militär mit. Zu verhandeln sei nur über eine Kapitulation der RSF.
Immer mehr Menschen fliehen vor Kämpfen
Explosionen und Schüsse erschütterten den sechsten Tag in Folge die Hauptstadt Khartum. Laut der BBC verlassen wegen der Kämpfe immer mehr Bewohner die Millionenstadt. "Um 04.30 Uhr sind wir vom Lärm der Kampfjets und Luftangriffe aufgewacht und haben Türen und Fenster geschlossen zum Schutz vor Querschlägern", berichtete ein Mann der Nachrichtenagentur AFP. Durch die Kämpfe wurden Wohn- und Geschäftshäuser beschädigt, die Lage der Zivilisten in ihren Häusern wird immer aussichtsloser.
Auch in der Region Darfur im Westen des Landes wird gekämpft. Dort wurden zu Beginn der Kämpfe drei Mitarbeiter des Welternährungsprogramms getötet. In der Stadt Al-Obeid 350 Kilometer südlich von Khartum waren am Donnerstag ebenfalls Explosionen zu hören.
Wie Mediziner mitteilten, nimmt die Luftwaffe Stellungen der RSF-Miliz in Wohngebieten ins Visier und schreckt auch vor Bombenangriffen über Krankenhäusern nicht zurück. So könnten 70 Prozent der 74 Krankenhäuser in Khartum und Umgebung wegen der Kämpfe nicht mehr genutzt werden, erklärte die Ärztegewerkschaft.
"Jeder Gang vor die Tür ist lebensgefährlich"
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit Ausbruch der Kämpfe mehr als 330 Menschen getötet und fast 3200 verletzt. Bereits vor der jüngsten Eskalation waren rund 16 Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung, auf Hilfe zum Überleben angewiesen. Die meiste Hilfe ist derzeit ausgesetzt, Vorräte von Hilfsorganisationen wurden geplündert, Helferinnen und Helfer können nicht aus ihren Häusern.
"Den Familien gehen die Vorräte aus, und die Wasserversorgung ist zusammengebrochen, doch jeder Gang vor die Tür ist lebensgefährlich", sagte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. Zudem seien Märkte niedergebrannt, und die Versorgungswege aus Khartum blockiert worden. Die Ernährungslage im Sudan sei aufgrund von Trockenheit, hohen Preisen und schwindenden Lebensgrundlagen infolge der langjährigen Wirtschaftskrise und anhaltender Vertreibung ohnehin sehr ernst.
Baerbock, EU und UN fordern Waffenruhe
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte eine sofortige Feuerpause. "Unsere Botschaft an die Generäle Burhan und Hemeti ist klar: Die Gewalt in Sudan muss enden", schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Die Feuerpause sei erforderlich, "damit sich Menschen in Sicherheit bringen und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) die so dringend benötigte humanitäre Hilfe leisten können".
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief die Konfliktparteien zu einer Waffenruhe auf. "Die Kämpfe müssen beendet werden", erklärte er in Brüssel. Zudem appelliere die EU an alle Akteure, einen raschen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen sowie die Zivilbevölkerung zu schützen.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine "mindestens dreitägige" Waffenruhe. Er gehe davon aus, dass dies zum Zuckerfest "möglich" sei. Die UNO stehe mit den Konfliktparteien in Kontakt. Dies solle aber nur eine "erste Etappe" sein und einen dauerhaften Waffenstillstand ermöglichen. Das Zuckerfest oder Aid al-Fitr wird zum Abschluss des islamischen Fastenmonats Ramadan gefeiert.
Pistorius: Bemühungen um Evakuierung laufen
Zur Situation der Ausländer im Sudan sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dem TV-Sender Welt: "Es geht darum, jetzt schnell einen Weg zu finden, wie wir die Menschen rausholen." Die Lage werde gerade sondiert.
Laut einem Bericht des "Spiegel" hatte die Bundeswehr zuvor eine Evakuierungsaktion abbrechen müssen. Dabei hätten demnach gut 150 Deutsche aus Sudan ausgeflogen werden sollen. Gescheitert sei die Aktion an andauernden Kampfhandlungen.
Machtkampf zwischen Armee und Miliz
Die Kämpfe im Sudan sind das Ergebnis eines tiefen Risses zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF, die 2013 von dem - später von Armee und RSF gemeinsam gestürzten - Langzeit-Herrscher Omar al-Baschir gegründet worden war.
Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Anführer Mohamed Hamdan Daglo waren seit der Machtübernahme 2019 Verbündete, trotz mancher Spannungen. Im Oktober 2021 führten beide auch den Militärputsch gegen die zivile Regierung an, wodurch der international unterstützte Übergang zur Demokratie gestoppt wurde.
Daglo, genannt Hemeti, nennt den Putsch inzwischen einen Fehler, während al-Burhan weiter daran festhält. Am Samstag brachen dann heftige Kämpfe zwischen den einstigen Verbündeten aus.