Migrationsabkommen mit Tunesien Ein Deal - und viel Kritik
Die EU und Tunesien wollen zusammenarbeiten, um Migration über das Mittelmeer einzuschränken. Während konservative Abgeordnete die Vereinbarung begrüßen, finden andere deutliche Worte dagegen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stand vor einer tunesischen und einer EU-Flagge, als sie im Präsidentenpalast in Tunis die Absichtserklärung erläuterte. Man habe ein umfassendes Paket von Maßnahmen beschlossen, das nun schnell umgesetzt werden solle.
Das Paket umfasst fünf Punkte. Tunesien soll, wenn es bestimmte Bedingungen erfüllt, 900 Millionen Euro erhalten - unter anderem, um seine schwer angeschlagene Wirtschaft zu fördern und um die digitale Infrastruktur und erneuerbare Energien auszubauen. Außerdem ist beispielsweise geplant, das europäische Studentenaustauschprogramm Erasmus auf das Land auszuweiten.
105 Millionen Euro für den Kampf gegen illegale Migration
Der wichtigste Punkt aber: Es sind 105 Millionen Euro vorgesehen, damit die Regierung in Tunis gegen irreguläre Migration vorgeht. Die EU will eine Partnerschaft zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität, so von der Leyen.
"Außerdem werden wir unsere Koordinierung bei Such- und Rettungseinsätzen verstärken", sagte die Kommissionspräsidentin. "Und wir haben vereinbart, dass wir beim Grenzschutz, bei Rückführungen und bei der Bekämpfung der Grundursachen unter voller Achtung des internationalen Rechts zusammenarbeiten werden."
"Integraler Bestandteil" einer Asylreform
Die Kooperation mit Ländern, aus denen Menschen fliehen oder die sie auf der Flucht durchqueren, ist ein entscheidender Baustein des neuen Paktes für Asyl und Migration. Über den verhandeln die Mitgliedstaaten derzeit mit dem Europaparlament.
Die Abgeordnete Lena Düpont von der CDU begrüßte dann auch die Vereinbarung mit Tunesien als intergralen Bestandteil der Reform des gemeinsamen Asylsystems: "Es ist richtig, dass wir uns mit neuer Verve auf das Thema Kampf gegen Schleuserkriminalität fokussieren, auch in der Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Dass wir gleichzeitig aber eben auch Unterstützung und Anreize für die jeweiligen Länder bieten, die eigene Lage auch zu stabilisieren."
"Ursachen bekämpfen, nicht die Geflüchteten"
In anderen Parteien stößt die Vereinbarung dagegen auf deutliche Kritik. Die EU hat diese just an dem Tag geschlossen, als Berichte über das Schicksal von mindestens 80 Migranten bekannt wurden. Nach eigenen Angaben waren sie von den tunesischen Behörden in der Wüste ausgesetzt worden, ohne Wasser und Nahrung.
"Wer mit einem Land wie Tunesien, das Migrantinnen und Migranten in die Wüste treibt, damit sie sterben, ein Migrationsabkommen schließt, verhöhnt die Menschenrechte und macht sich ausdrücklich schuldig am Tod von noch mehr Menschen auf der Flucht", meint erbost Cornelia Ernst von den Linken. Sie fordert eine Rücknahme der Vereinbarung.
Wie sie, ärgert sich auch Erik Marquardt darüber, dass das Europaparlament nicht einbezogen wurde. Aus Sicht des grünen Abgeordneten geht es bei der Absichtserklärung nicht darum, die Lage der Menschen zu verbessern. Sondern vor allem darum, dass Menschen nicht mehr aus Tunesien nach Europa fliehen können. "Und ich glaube, das ist verheerend. Man muss Ursachen von Flucht bekämpfen und nicht die Geflüchteten."
Trotz aller Kritik: Die Vereinbarung mit Tunesien könnte, so ist in Brüssel zu hören, die Blaupause für Abkommen mit weiteren Ländern in Afrika werden.