Ma’ale Adumim im Westjordanland

Besetzte Gebiete Israel will Airbnb verklagen - oder besteuern

Stand: 23.11.2018 14:57 Uhr

Dem Online-Vermieter Airbnb droht eine Sammelklage aus Israel, weil er Unterkünfte im besetzten Westjordanland von seiner Webseite genommen hat. Zugleich erwägt Israel eine andere Form der Einschränkung.

Tsofiya Jacob schaut über die sandfarbenen Hügel. In der Ferne ist Jerusalem zu sehen. Auf der anderen Seite des Hauses öffnet sich der Blick Richtung Jericho und Totes Meer. Jacob wohnt im Westjordanland. "Ich habe mich entschieden, hier zu leben, weil ich Teil der wunderschönen, biblischen, israelischen Natur sein möchte, in der Nähe von Jerusalem und dem Toten Meer", sagt sie. "Einer Gegend, die ich als Heimat betrachte, als Teil Israels." Sie verstehe die Empfindlichkeiten, aber unabhängig davon seien sie nun mal hier."

Hier heißt in diesem Fall in Kfar Adumim, einer israelischen Siedlung im besetzten Westjordanland, 15 Autominuten von Jerusalem entfernt. Jacob lebt gern in Kfar Adumim, und sie möchte dieses Wohnerlebnis auch gern teilen. Sie ist eine von etwa 200 Vermietern, die Objekte in den Siedlungen - vom Wohnwagen über das Einzelzimmer bis hin zu Ferienwohnungen - über die Internet-Wohnungsvermittlungsbörse Airbnb anboten und dabei zum Teil nicht kenntlich machten, dass sich die Wohnungen völkerrechtlich gesehen nicht in Israel, sondern auf besetztem Land befinden. In manchen Fällen sogar in Siedlungsaußenposten, die auch nach israelischem Recht illegal errichtet wurden.

"Airbnb kann eine Brücke sein"

Airbnb will Unterkünfte in den Siedlungen künftig nicht mehr veröffentlichen. Jacob kann das nicht verstehen, glaubt aber auch nicht, dass das Unternehmen damit durchkommt. "An einem Ort, an dem verschiedene Menschen in irgendeinem Konflikt leben, kann Airbnb eine Brücke sein", sagt sie. "Sie verbinden jetzt schon die Gastgeber mit den Gästen, und ich wünsche mir, dass das weiter geht."

Das wünscht sich auch die israelische Regierung. Der Tourismusminister forderte Airbnb auf, die aus seiner Sicht rassistische Entscheidung zurückzunehmen. Er warf der Wohnungsbörse aus San Francisco vor, die Vermieter in den Siedlungen zu diskriminieren, und er kündigte an, die Arbeit von Airbnb in Israel einzuschränken - zum Beispiel mit hohen Steuern.

Sammelklage wegen Diskriminierung

Die Regierung will die betroffenen Vermieter in den Siedlungen außerdem dabei unterstützen, das US-Unternehmen in den Vereinigten Staaten zu verklagen. In Israel wurde bereits eine Sammelklage wegen Diskriminierung eingereicht.

Gilad Erdan, Israels Minister für Innere Sicherheit und Strategische Angelegenheiten, fordert einen Airbnb-Boykott. "Ich rufe alle Unterstützer Israels, die Diskriminierung ablehnen, weltweit dazu auf, nicht mehr mit Airbnb zusammenzuarbeiten und stattdessen andere Anbieter zu nutzen", sagt Erdan. "Der Anbieter booking.com ist übrigens ein ausgezeichneter Dienstleister." Andere Anbieter haben sich zwar noch nicht so positioniert wie Airbnb, stehen aber vor dem gleichen Problem. Die Siedlungen befinden sich nach internationalem Recht nicht in Israel und sind illegal.

Airbnb machte es sich mit der Entscheidung nicht leicht. Nachdem die palästinensische Politik die Online-Übernachtungsbörse erstmals aufforderte, die Ferienwohnungen in den Siedlungen nicht mehr zu vermitteln, vergingen fast drei Jahre. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte die Airbnb-Entscheidung. 

Die israelische Siedlung Al-Karmel südlich von Hebron im Westjordanland

Israel will die betroffenen Vermieter in den Siedlungen dabei unterstützen, Airbnb zu verklagen.

"Israel stellt nationale Interessen zurück"

Omar Shakir, Direktor der Organisation in Israel und den palästinensischen Gebieten hält die Möglichkeiten der israelischen Regierung, gegen Airbnb vorzugehen, für begrenzt. "Tatsächlich ist Airbnb von zentraler Bedeutung für den israelischen Tourismus", so Shakir. "Sehr viele Menschen suchen hier nach Unterkünften. Dass die Regierung nun Sanktionen gegen ein so wichtiges Unternehmen ankündigt, zeigt das Ausmaß, in dem die Regierung bereit ist, die nationalen Interessen hinter die Interessen der illegalen Siedlungen im besetzen Westjordanland zurückzustellen."

Von der Airbnb-Entscheidung betroffen sind rund 200 Angebote in den Siedlungen. Eine geringe Zahl im Vergleich zu mehreren tausend Airbnb-Anbietern alleine in Tel Aviv.

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 23. November 2018 um 14:00 Uhr.