Alex Jones Die Lüge als Geschäftsmodell
Alex Jones verbreitet seit Jahren haarsträubende Lügen und Verschwörungsmythen - und verdient damit Millionen. Werden die jüngsten Gerichtsurteile dieses Geschäftsmodell ändern? Und wie groß ist sein Einfluss überhaupt?
Im Dezember 2016 fährt ein junger Mann von North Carolina aus nach Washington D.C. Vor einer Pizzeria im Nordwesten der Stadt packt er eine Waffe aus und fängt an zu schießen. Er glaubt, dass im Keller der Pizzeria Kinder als Sexsklaven gehalten werden. Nichts davon stimmt. "Pizzagate" ist eine Verschwörungstheorie, die von Alex Jones und anderen verbreitet wird. Jones, mit einer Klage konfrontiert, wird Monate später beim Eigentümer der Pizzeria um Entschuldigung bitten.
Immer wieder haben Menschen versucht, sich gegen Jones und sein Lügen-Imperium zu wehren. Selbst wenn sie am Ende Recht bekamen, war der Schaden für sie oft immens, wirtschaftlich und psychisch. Für Jones aber ging die Rechnung bisher immer auf: Mehr Lügen bedeuteten mehr Hörer, Zuschauer, Klicks und Bestellungen in seinem Internet-Shop.
11. September als einschneidendes Ereignis
In den 1990er-Jahren war der gebürtige Texaner, Jahrgang 1974, nur ein Durchgeknallter, der spätnachts irgendwo im Fernsehen wilde Geschichten erzählte. Zur Jahrtausendwende begann er, von zu Hause aus seine Sendungen im Internet zu veröffentlichen.
Die Anschläge vom 11. September 2001 waren für ihn ein einschneidendes Ereignis. Schon früh behauptete er, es handele sich mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit um eine von der Regierung gesteuerte kontrollierte Bombardierung des World Trade Centers. Jones wurde einer der führenden Lautsprecher, die den offiziellen Berichten nicht glaubten.
Vitamine, Diätmittel, Videos
Das machte ihn enorm populär. Zeitweise strahlten weit über 100 Lokalsender seine Show aus. Sein Markenzeichen: eine kehlig grollende Westernheldenstimme, mit angespanntem Kiefer hervorgestoßene Tiraden, begleitet von explosivem Lachen, den Kopf in den Nacken gelegt.
Millionen Menschen hörten zu - und besuchten seine Website Infowars.com. Dort verkauft Jones bis heute jede Menge Merchandise für Anhänger von Verschwörungstheorien: Vitamine, Diätmittel, Zubehör für den vermeintlich drohenden Bürgerkrieg. Außerdem Literatur und Videos. Damit hat Jones zig Millionen Dollar verdient.
Ex-Präsident Trump machte Jones noch bekannter
Dass die Regierung angeblich Anschläge inszeniert, um das Kriegsrecht auszurufen und dann eine Diktatur einzuführen, das ist einer von Jones' Klassikern. Er vertritt die Verschwörungstheorie von der "Neuen Globalen Weltordnung", wonach Eliten weltweit und im Geheimen an einem Umsturz arbeiten. Mit dabei angeblich: die Demokratische Partei.
Hillary Clinton sei eine Dämonin aus der Hölle, die mit Barack Obama zusammen die Terrororganisation "Islamischer Staat" gegründet habe; Clinton sei der Kopf eines Pädophilenrings - das sind seine Geschichten. In Donald Trump, dem Kandidaten und dann Präsidenten, fand Jones einen Bruder im Geiste. Trump wiederholte im Fernsehen und auf Twitter die Stories von Jones - und so hatte der Lautsprecher einen noch größeren Verstärker gefunden.
Anfeuerungen zum Sturm auf das Kapitol
Ob er selbst glaubt, was er erzählt? In einem Sorgerechtsprozess nach seiner Scheidung war von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung die Rede. Wie viele Leute tatsächlich glauben, was er verbreitet, ist nicht bekannt. Womöglich ist sein Einfluss auch geschrumpft, seit große Internet-Plattformen ihn wegen Lügen und Hetze verbannt haben. Aber er hat ein Klima mit vorbereitet, in dem in den USA inzwischen jeder nur noch das zu glauben scheint, was er oder sie glauben will.
Dass etwa Joe Bidens Wahlsieg 2020 in konservativen Kreisen ganz selbstverständlich als großer Betrug wahrgenommen werden kann, hat auch etwas damit zu tun, dass Moderatoren wie Jones oder der verstorbene Rush Limbaugh ihren Zuhörern jahrzehntelang eingehämmert haben, sie würden von korrupten Eliten im Sumpf von Washington betrogen. Rund um den Angriff aufs Kapitol am 6. Januar 2021 war Jones zu sehen und zu hören, wie er Trump-Anhänger anfeuerte. Vom zuständigen Untersuchungsausschuss wurde er bereits vorgeladen.
Seine Saat ist längst aufgegangen
Im Prozess, den die Eltern der Sandy Hook Grundschule gegen ihn führen, hat Jones schließlich eingeräumt, das Massaker habe stattgefunden. Seine Theorie, solche Anschläge seien von der Regierung inszeniert, wird allerdings inzwischen von Republikanern am rechten Rand der Partei aufgegriffen und verbreitet.
Die ersten Urteile in Sachen Sandy Hook Grundschule sind ein Signal: Falsche Behauptungen über echte Menschen richten echten Schaden an und dafür wird man zur Verantwortung gezogen. Doch egal, wieviel Jones am Ende zahlen muss: Seine Saat ist längst aufgegangen.