Anhörungen zur Kapitol-Attacke Wie Trump sich an die Macht klammerte
Die Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol haben gezeigt, dass Ex-US-Präsident Trump bewusst Gewalt in Kauf nahm, um sich an der Macht zu halten. Ein Überblick über Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar 2021.
Trump hat beim Sturm aufs Kapitol "Öl ins Feuer gegossen"
Das waren die Worte der beiden Zeugen, denen man nicht nachsagen kann, sie seien "Never Trumper" - so werden in den USA notorische Trump-Hasser genannt: Matthew Pottinger war vier Jahre lang stellvertretender Sicherheitsberater unter Trump, Sarah Matthews stellvertretende Regierungssprecherin. Beide Republikaner, beide stolz auf die Errungenschaften der Trump-Jahre. Und doch warfen beide am 6. Januar das Handtuch - aus Entsetzen darüber, dass der scheidende Präsident den Mob am Kapitol mit einem Tweet gegen Vizepräsident Mike Pence aufhetzte, statt zu deeskalieren.
Der Kapitol-Sturm war Teil einer größer angelegten Kampagne
Bislang unbekannt war der Mitschnitt der Aufzeichnung einer Videobotschaft, der am Tag nach dem Sturm aufs Kapitol gemacht wurde. Trump liest zunächst vom Teleprompter den Satz "diese Wahl ist nun vorbei", den ihm seine Redenschreiber vorformuliert hatten. Dann bricht er die Aufzeichnung ungehalten ab und knurrt, dass er die Wahl keinesfalls als erledigt bezeichnen wird. Bis heute hat er seine Niederlage nicht eingestanden und verbreitete die unbelegte Behauptung, in Wahrheit habe er "erdrutschartig" gewonnen. Eine deutliche Mehrheit seiner Parteifreunde sieht das trotz mangelnder Beweise auch so.
Trump-Loyalisten können jederzeit in Ungnade fallen
Es ist Strategie, dass der Ausschuss immer wieder auf die Rolle von Ex-Vizepräsident Mike Pence eingeht. Am 6. Januar kam Pence seiner verfassungsgemäßen Pflicht nach und zertifizierte das Wahlergebnis im Kongress. Trump behauptet bis heute, Pence hätte die Wahl zu seinen Gunsten drehen können. Am 6. Januar bezeichnete er seinen loyalen Weggefährten in einem Tweet als Feigling, woraufhin Trumps Anhänger am Kapitol "Knüpft Mike Pence auf!" skandierten. Die Demokraten im Ausschuss hoffen, das Zerwürfnis der beiden Weggefährten könnte einen Keil zwischen die Republikaner treiben. In der Tat überlegt Pence wohl ernsthaft, bei der Präsidentschaftswahl 2024 anzutreten - und damit seinem Ex-Chef den Fehdehandschuh hinzuwerfen.
"Mike Pence didn't have the courage to do what should have been done to protect our Country and our Constitution, giving States a chance to certify a corrected set of facts, not the fraudulent or inaccurate ones which they were asked to previously certify. USA demands the truth!"
Der Effekt auf die öffentliche Meinung bleibt wohl gering
Die Spaltung der USA spiegelt sich auch in den Reaktion auf die Ausschussarbeit: Während sich demokratische Wähler durch die Erkenntnisse des Gremiums bestätigt fühlen, sind die Republikaner in einem Abwehrreflex zusammengerückt. Sie unterstellen Bidens Partei, sie wolle sich einmal mehr an ihrer Trump-Obsession abarbeiten und eine Art drittes Amtsenthebungsverfahren inszenieren. Zudem solle vom Versagen der Biden-Regierung abgelenkt werden. In Umfragen fordert eine Mehrheit der US-Amerikaner, die Politik solle sich lieber den brennenden Problemen der Gegenwart widmen, vor allem der Inflationsbekämpfung, statt obsessiv auf der Vergangenheit herumzureiten.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Der Ausschuss wird seine Arbeit nach der Sommerpause im September fortsetzen - mindestens bis November: Da finden die Midterms statt, Parlamentswahlen, aber auch Gouverneurswahlen in vielen Bundesstaaten. Derzeit zeichnet sich aufgrund der großen Unzufriedenheit mit der Biden-Regierung ein republikanischer Triumphzug ab. Den werden die Demokraten kaum mehr abwenden können, aber mit ihren Enthüllungen zum 6. Januar hoffen sie, Trumps erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 abwenden zu können, indem sie ihn für die moderaten Wechselwähler der Mitte unwählbar machen. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass republikanische Wähler Trumpismus ohne Trump vorziehen würden. Wie dem Ausschuss werfen sie dem abgewählten Präsidenten vor, vor lauter Fokussiertheit auf die Vergangenheit die Gegenwart aus dem Blick verloren zu haben.