Baltimore Was ist über den Brückeneinsturz bekannt?
Nachdem sie von einem Frachter gerammt wurde, ist die "Francis Scott Key"-Brücke in Baltimore eingestürzt. Welche Folgen hat der Vorfall? Was ist über die Ursache bekannt? Gibt es noch Hoffnung für die sechs Vermissten?
Was ist passiert?
In der Nacht zum 26. März hatte das unter der Flagge Singapurs fahrende Containerschiff "Dali" einen Stützpfeiler der "Francis Scott Key"-Brücke in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland gerammt. Große Teile der vierspurigen, mehr als 2,5 Kilometer langen Brücke brachen in sich zusammen, tonnenschwere Stahlträger wurden durch die Krafteinwirkung verbogen. Mehrere Fahrzeuge und Menschen fielen in das rund 15 Meter tiefe Wasser des Patapsco River, an dessen Mündung die Brücke liegt.
Wie viele Personen werden vermisst?
Laut der Polizei werden derzeit noch sechs Personen vermisst, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Menschen ins Wasser gestürzt sind. Zu den sechs Vermissten gehörten Menschen aus Mexiko, Guatemala und El Salvador, wie das mexikanische Konsulat in Washington mitteilte. Laut Behördenangaben waren sie Teil eines achtköpfigen Arbeitstrupps, der Schlaglöcher auf der Straßenoberfläche reparierte, als die Brücke einstürzte.
Zwei Menschen konnten am Dienstag gerettet werden. Am Mittwoch ging die Suche nach den Vermissten weiter. Allerdings gehen die Behörden mittlerweile davon aus, dass von ihnen keiner mehr am Leben ist. Es werde nur noch nach den Leichen gesucht, hieß es. Für die an dem Einsatz beteiligten Taucher stellen sich die Arbeiten laut der Küstenwache als schwierig heraus - Strömung und Trümmerteile im Wasser seien gefährlich für die Einsatzkräfte, zudem sei die Sichtweite unter Wasser gering.
Was war die Ursache?
Wie es genau zu der Kollision und dem Einsturz kam, ist noch unklar. Hinweise auf eine vorsätzliche Tat oder gar einen Terroranschlag gibt es Behörden zufolge nicht. Auch US-Präsident Joe Biden sprach von einem "schrecklichen Unfall". Eine Ursache könnte ein Problem mit der Stromversorgung des Containerschiffes gewesen sein, als das Schiff nach Angaben von Marylands Gouverneur Wes Moore mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten - etwa 15 Kilometern pro Stunde - auf die Brücke zusteuerte. Der 289 Meter lange Frachter meldete kurz vor dem Aufprall einen Antriebsverlust und warf den Anker, um abzubremsen. So blieb den Verkehrsbehörden noch Zeit, den Verkehr auf der Brücke anzuhalten. Es ist unklar, ob auch versucht wurde, den Arbeitstrupp auf der Brücke zu warnen.
Die Ermittlungen sind nun angelaufen. Ein Team der Behörde für Transportsicherheit (NTSB) sicherte an Bord der "Dali" den Schiffsdatenschreiber, von dessen Auswertung weitere Informationen zum Unfallhergang erhofft werden. Zudem werden laut Angaben der NTSB die Schiffsbesatzung und andere Überlebende sowie Ersthelfer befragt. Die Behörde werde auch prüfen, ob verunreinigter Treibstoff eine Rolle für den Stromausfall des Schiffes gespielt habe, hieß es. Darüber hinaus sollen die Einzelteile der Brücke nach und nach aus dem Wasser geholt werden, um zu untersuchen, warum und wie es zu dem Einsturz kam.
Hinweise, ob der Zustand der in den 1970er-Jahren erbauten Brücke den Einsturz begünstigt haben könnte, gibt es bisher nicht. Marylands Gouverneur Moore sagte bei einer Pressekonferenz, die Brücke entspreche den Vorschriften und es seien keine strukturellen Probleme bekannt.
Was für Auswirkungen hat der Einsturz?
Die "Francis Scott Key"-Brücke galt als ein Wahrzeichen von Baltimore. Für etwa 31.000 Menschen gehörte sie jeden Tag zur Pendelstrecke auf einer der Hauptrouten zwischen Washington und New York. Der Verlust der Brücke beeinträchtigt nun die Straßen in ganz Baltimore, wodurch Autofahrer auf zwei weitere überlastete Hafenüberfahrten gezwungen werden und der tägliche Pendelverkehr sowie regionale Verkehrsumleitungen voraussichtlich für die kommenden Monate oder Jahre erschwert werden.
Der Einsturz führte auch zur Sperrung des Hafens von Baltimore, bei dem es sich laut US-Präsident Biden um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA handelt - insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern. Rund 850.000 Fahrzeuge würden pro Jahr darüber verschifft. Rund 15.000 Arbeitsplätze hingen davon ab. Verkehrsminister Pete Buttigieg teilte mit, man stelle sich auf Lieferkettenprobleme ein. Diese beträfen nicht nur die Region um Baltimore, "sondern die gesamte US-Wirtschaft". Dennoch bezweifeln Ökonomen und Logistikexperten, dass die Schließung des Hafens eine größere Lieferkettenkrise in den USA oder einen starken Anstieg der Warenpreise auslösen würde, da die konkurrierenden Schifffahrtsdrehkreuze entlang der Ostküste über ausreichend Kapazität verfügen.
Die Sperrung des auf das Löschen von Pkw spezialisierten Hafens könnte aber den Warenaustausch mit Deutschland beeinträchtigen. "Der Handel mit Deutschland dürfte von Umleitungen betroffen sein", sagte Commerzbank-Handelsexperte Vincent Stamer der Nachrichtenagentur Reuters angesichts der erwarteten Störungen im Handel der Metropolregion Washington. Vermutlich müssten die entsprechenden Schiffe nach New York und Florida umgeleitet werden, was zu Verzögerungen führen könnte. Der Autobauer Mercedes teilte mit: "Baltimore gehört neben mehreren anderen Häfen in den USA, darunter New Brunswick und Charleston, zu den Häfen, die von Mercedes-Benz für Fahrzeugimporte genutzt werden". Man stehe in engem Kontakt mit Logistikdienstleistern und beobachte die Situation. Der Vorfall dürfte aber keine Folgen für den Export von Fahrzeugen haben.
Ob der Unfall gravierende Folgen für die Umwelt hat, ist nicht bekannt. US-Medien berichten unter Berufung auf die Küstenwache, dass Vorkehrungen getroffen wurden, um derartige Schäden so gering wie möglich zu halten. Demnach war auf dem Wasser ein Ölschimmer zu sehen.
Wann wird die Strecke wieder nutzbar sein?
Wie der US-Ingenieur und Statiker Matthew Roblez gegenüber dem Sender CNN mitteilte, könnte allein die Bergung der Brückenteile noch Monate dauern, der Wiederaufbau etwa zwei Jahre. Die Kosten dafür lägen bei etwa 500 Millionen Dollar (gut 460 Millionen Euro). US-Präsident Biden hat angekündigt, den Wiederaufbau mit Geld vom Bund zu finanzieren.
(Quelle: dpa, Reuters)