30 Jahre nach Blutbad Der Mythos "Waco"
30 Jahre ist die blutige Belagerung einer Sektenranch bei Waco in Texas her. Doch immer noch bewundern radikale Regierungsgegner den damaligen Widerstand - auch der mutmaßliche Urheber der Pentagon-Leaks.
Jack T. ist gerade mal 21 Jahre alt. Der Nationalgardist, der US-Geheimdokumente geleakt haben soll, sei ein religiöser Waffenfan - einer, der der Regierung nicht traue, heißt es nach seiner Verhaftung vor wenigen Tagen.
Sein Misstrauen sei durch ein Ereignis geprägt worden, das Jahre vor seiner Geburt stattfand: die blutige Erstürmung einer Ranch bei Waco in Texas durch die Regierung vor 30 Jahren.
"Was in Waco geschah, zeigte vielen Leuten, die fest an das Recht auf Waffenbesitz glauben, dass die Regierung entschlossen ist, dir deine Waffen wegzunehmen", sagt Kevin Cook, Autor des Buches "Waco Rising", das gerade erschienen ist. Die Regierung werde dich töten, wenn du nicht kooperierst, so die Logik.
Illegale Waffen und ein "Messias"
Das Drama beginnt Ende Februar 1993. Die Strafverfolgungsbehörde ATF will das Anwesen der Sekte "Branch Davidians" bei Waco durchsuchen. Es geht um illegalen Waffenbesitz. Mehr als hundert Männer, Frauen und Kinder leben dort mit ihrem selbsternannten "Messias" David Koresh.
Sie wehren sich gegen die Razzia und töten vier Beamte. Auch sechs Sektenmitglieder sterben. Ihr Anführer ist schwer verletzt - was ihn nicht davon abhält, noch während des Schusswechsels am Telefon aus der Bibel zu zitieren.
Vor der Erstürmung durch das FBI lebten etwa 100 Mitglieder der Sekte "Branch Davidians" bei Waco, die an den nahen Weltuntergang glaubten.
51 Tage Belagerung
Koresh, 33 Jahre alt, hält sich für einen Propheten. Seine Anhängerinnen und Anhänger hat er mit apokalyptischen Prognosen vom nahen Weltuntergang an sich gebunden. Alle Frauen der Gruppe reklamiert er für sich und schwängert sie - auch junge Mädchen.
Kiri Jewell, ein junges Sektenmitglied, berichtet später bei einer Anhörung im Senat von einer Freundin, die mit 14 Jahren Koreshs "Frau" geworden sei und ein Baby bekommen habe. Nach US-amerikanischem Recht war das eine Vergewaltigung einer Minderjährigen. Während ihrer Schwangerschaft sei sie deshalb versteckt worden.
Das FBI will die Davidianer verhaften, weil sie die vier Agenten getötet haben. 51 Tage lang dauert die Belagerung. Koresh lässt ein paar Kinder ziehen, doch der Rest der Gemeinschaft weigert sich herauszukommen.
Tödlichster Tag in der Geschichte des FBI
Für Buchautor Cook ist das der "Zusammenstoß zwischen mehr als hundert ernsthaften, religiösen Menschen, die von einem Monster angeführt wurden, und einer Regierung, die eine Reihe fürchterlicher Entscheidungen traf".
Am 19. April schießt das FBI Tränengas in das Gebäude, um die Menschen herauszutreiben - was nicht funktioniert. Stunden später bricht ein Feuer aus, bei dem 76 Menschen sterben, darunter viele Kinder. Es ist der tödlichste Tag in der Geschichte des FBI.
Joe Biden, damals Senator, weist später alle Verantwortung zurück. Koresh und die Davidianer hätten sich selbst angesteckt und Selbstmord begangen. Das sei nicht die Regierung des demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton gewesen.
Inspiration für "Oklahoma-Bomber" und Sturm auf Kapitol
Ultrarechte Regierungskritiker, Anhänger des Rechts auf Waffenbesitz und andere selbsternannte Patrioten interpretieren das anders. Für sie war und ist Waco ein Aufruf, gegen die Regierung zu den Waffen zu greifen.
Timothy McVeigh, ein junger Ex-Militär, zündete am zweiten Jahrestag der Tragödie von Waco Bomben vor einem Regierungsgebäude in Oklahoma City. 168 Menschen starben, darunter viele Kinder.
Autor Cook zieht die Linie noch weiter: von Waco über Oklahoma City 1995 nach Washington im Jahr 2021. Dort stürmten am 6. Januar tausende Trump-Anhänger das Kapitol, um den - wie sie meinen - Wahlbetrug durch eine korrupte Elite zu stoppen.
Seine erste große Wahlkampfrallye dieses Jahr führte Donald Trump Ende März nach Waco - also kurz vor dem 30. Jahrestag des
Trumps Wahlkampf begann in Waco
Rechtsextreme Milizen wie die Oath Keepers und die Proud Boys spielten dabei eine wichtige Rolle. Der damalige Präsident Donald Trump, der bis heute die Lüge von der gestohlenen Wahl verbreitet, hat diese Gruppen immer wieder hofiert.
Seine erste große Wahlkampfrallye für die kommenden Wahlen führte Trump Ende März nach Waco - also kurz vor dem 30. Jahrestag. Das Drama um die Davidianer sprach er nicht an. Aber er zeigte mit der Wahl des Ortes wohl doch, auf welche seiner Anhänger er nicht verzichten will.