"Farm Aid"-Festival in den USA Zwischen Rock und Rüben
Viele Farmer in den USA können mit der Konkurrenz durch Billiglebensmittel der Agrarindustrie nicht mithalten. Auf einer Mischung aus Rock-Festival und Landwirtschaftsmesse machen Musiker darauf aufmerksam.
Jenseits der Landeshauptstadt Indianapolis sieht der Bundesstaat Indiana selten so wenig ländlich-idyllisch aus wie hier, rund um das Amphitheater "Ruoff Music Center" bei Noblesville. Die weitflächige Anlage aus Beton und Stahl mit unverkennbarem Charme der 1970er-Jahre ist an diesem Wochenende Schauplatz für "Farm Aid", ein Magnet für Rockfans und Farmer zugleich. 20.000 Zuschauer sind dieses Jahr dabei.
Rock-Festival und Landwirtschaftsmesse
Seit 1985 macht das einzigartige Spektakel, eine Mischung aus Rock-Festival und Landwirtschaftsmesse, auf die Existenznöte von Kleinbauern und Familien-Farmern aufmerksam. Die Gründerväter stehen wieder auf der Bühne: Willie Nelson, John Mellencamp und Neil Young. Zum Entzücken der Fans gibt plötzlich und unvermittelt ein Überraschungsgast drei Lieder zum Besten: Bob Dylan.
Wie immer legen die in die Jahre gekommenen Altrocker ihren Fans ans Herz, Lebensmittel aus lokaler Produktion zu kaufen und so die Existenz der Farmen vor Ort zu sichern: ein hartes Stück Überzeugungsarbeit, auch im Agrarstaat Indiana im Mittleren Westen der USA.
Die US-Musiker John Mellencamp, Willie Nelson (beide links) und Neil Young (zweiter von rechts) sind die Gründer des "Farm Aid"-Festivals.
Kleinbäuerliche Betriebe sterben aus
"Die Zahl der Familienbetriebe, die wir an die große industrialisierte Landwirtschaft verloren haben, ist herzzerreißend", beklagt Shelli Yoder, Senatorin der demokratischen Partei in Indiana. Sie schlendert über den Bauernmarkt, der das Festival traditionell ergänzt und beschreibt die Abwärtsspirale, die auch "Farm Aid" alljährlich ins Bewusstsein rückt: Kleinbauern könnten preislich nicht mit den Industriebetrieben konkurrieren, Verbraucher kauften lieber Billigware, die kleinbäuerliche Landwirtschaft sterbe aus.
Es gäbe einen sehr einflussreichen Beteiligten, der den entscheidenden Unterschied machen könnte, sagt die Senatorin. "Wir Verbraucher haben enorme Macht", stimmt Shelli Yoder Neil Young zu. "Es liegt an uns, das kleine finanzielle Opfer zu bringen und lieber gesunde, lokale Lebensmittel zu kaufen!"
Und damit das Überleben von Kleinbetrieben zu sichern, wie das der "Tyner Pond"-Farm von Chris Baggott. "Unsere Regierung steht unter dem Lobbyeinfluss der großen Industriebetriebe", beklagt er. Entsprechend sei aus öffentlichen Haushalten wenig finanzielle Hilfe, etwa für das Umstellen auf Biolandwirtschaft, zu erwarten. Den Kleinbauern bliebe nur, an den Verbraucher zu appellieren, auch wenn das noch so mühsam sei.
Schlechte Ernährung mit Folgen für Gesundheitssystem
"Die Billig-Lebensmittel der Agrarindustrie sind ja nur scheinbar günstig", argumentiert Jason Federer, dessen Farm in Wolcott liegt. Man müsse schließlich die Kosten für das Gesundheitssystem dazurechnen. Übergewicht und Diabetes, aufgrund schlechter Ernährung, sind längst Volkskrankheiten in den USA. Auch auf dem Festivalgelände von Noblesville hat so mancher ein paar Pfund zu viel auf den Rippen. An den Essensständen dominieren Grillfleisch und Frittiertes.
Immerhin stammen die Zutaten allesamt von den Feldern und aus den Ställen von Indiana. "Wir wollen doch alle lieber bäuerliche Familien, die sich für das Land und ihre Abnehmer verantwortlich fühlen", sagt David Fisher, dessen Rinderfarm in Jasper seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Familienbesitz ist. Das "Farm Aid"-Festival habe enorme Bedeutung für die Bewusstseinsbildung, meint Fisher. Sein Betrieb liefert Biofleisch an die Mensen mehrerer Universitäten in Indiana.
"Ihr müsst Euch nicht bei Hamburgerketten und aus dem Kartoffelchips-Regal ernähren!" Das ist für ihn die zentrale Botschaft von "Farm Aid". "Tut was für Eure Gesundheit und gleichzeitig für den Erhalt des traditionellen ländlichen Raums." Und dann gönnt er sich und seiner Familie eine genussvolle Auszeit. Die Fishers rollen bei strahlend blauem Himmel ihre Picknickdecke auf der großen Wiese vor der muschelartigen Bühne aus. Ihr Favorit unter den Rocklegenden: John Mellencamp, der ein Heimspiel bestreitet. Der mit 71 Jahren Jüngste der "Farm Aid"-Gründer stammt aus Seymour in Indiana. Auch unter Rockern zählt manchmal der Stallgeruch.