Dürre im Norden Mexikos "Wir wollen Wasser! Wasser ist Leben!"
In vielen Regionen in Mexikos Norden ist der Wassermangel so groß, dass die Menschen nur noch über Wassertanks versorgt werden können. Grund für die Lage ist nicht nur der Klimawandel - auch Misswirtschaft verschärft die Probleme.
Aufatmen in Constituyentes del 57, einem ärmeren Stadtviertel im Norden von Monterrey. Das erste Mal seit drei Tagen bekommen die Anwohner hier Besuch von einer Pipa - einem Wassertanker, gefüllt mit 10.000 Litern köstlichem, sauberen und frischen Trinkwasser.
Auch Laura steht seit zwei Stunden in der Schlange, bei 37 Grad schwitzend unter unerbittlicher Sonne, ausgerüstet mit über 30 Zehn-Liter-Eimern. Die muss sie später, befüllt, Eimer für Eimer nach Hause tragen. Die Situation vor Ort beschreibt die Frau als sehr schwierig: "Für die Wassertanks gibt es keine Termine, keiner weiß, wann sie kommen. Ich muss mich oft entscheiden: Entweder gehe ich arbeiten oder ich hole Wasser. Aber wenn ich arbeiten gehe, verpasse ich die Wasserausgabe."
Seit sechs Monaten kommt kein Wasser mehr aus ihrem Wasserhahn. Kein Einzelfall: Hunderttausende sind von der Versorgung abgeschnitten. Mexikos Norden trifft die schlimmste Dürre seit 30 Jahren. Monterrey ist Mexikos zweitgrößte Stadt, und die wichtigste Industriemetropole des Landes wächst schnell. Nicht mithalten kann die Wasserversorgung: Zwei der drei umliegenden Stauseen, die die etwa 5,3 Millionen Einwohner bedienen, sind bereits komplett ausgetrocknet. Auf dem Land ist die Lage noch schlimmer.
Wasser wird für einige unbezahlbar
300 Kilometer entfernt, in der ländlichen Region nahe Torreon im mexikanischen Bundesstaat Coahuila. Wasser aus der Leitung - das hatten die Anwohner hier seit Jahren nicht. Doch die ersehnten Lieferungen per Pipa kommen hier seltener. Mancherorts wird das kostbare Gut gar von kriminellen Banden abgefangen. Das Wasser, was die Gemeinde hier erreicht, wird immer teurer. Es kostet aktuell zehn Liter zehn Pesos - umgerechnet 50 Eurocent.
"Ich verdiene 80 Pesos am Tag. Ich müsste alles davon ausgeben, um so viel Wasser zu kaufen, wie ich täglich brauche! Wie soll ich das bezahlen? Dann kann ich nichts essen. Aber wir brauchen doch Wasser", sagt Alberto Silva aus dem Dorf Finisterre aufgebracht. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt zum täglichen Verbrauch einen Mindestbedarf von bis zu 100 Litern Wasser - das wären für Silva und die anderen Gemeindemitglieder knapp 5 Euro täglich - unbezahlbar.
In einigen Regionen muss das Wasser per Tanklaster geliefert werden, wie hier in García.
Hinzu kommt jetzt die anhaltende Dürre, deren Ende nicht in Sicht ist. Von dem sowieso schon wenigen Wasser kommt kaum noch etwas in den Haushalten an - denn die Wasserleitungen sind marode. Ein Missstand, gegen den der Anwalt und Wasseraktivist Miguel Angel Hernandez kämpft. Aus seiner Sicht trägt an der dramatischen Lage vor allem die Politik Schuld - seit Jahren verschläft sie die Probleme.
"Die Hälfte des Leitungswassers geht auf dem Weg verloren, fließt in die Erde. Wir haben gravierenden juristische, behördliche und technische Probleme. Was müssten die Behörden machen? Sie sollen ein vernünftiges System installieren, dafür müsste in Aufbereitungslagen und Wasserleitungen investiert werden", fordert Hernandez.
Nicht nur der Klimawandel ist verantwortlich
Auch in Monterrey ist die Bevölkerung wütend. Sie wirft der Politik vor, die Großkonzerne zu bevorzugen. Regelmäßig protestieren sie lautstark vor Unternehmen, die von den neoliberalen Ex-Präsidenten Mexikos mit großzügigen Wasserkonzessionen ausgestattet worden sind. Der Wasserwirtschaftsforscher Edgar Gutierrez hält diese Konzessionen nicht mehr für zeitgemäß und fordert die Politik zu einer strengeren Regulierung auf: "Unsere Verfassung muss allen in der Bevölkerung den Zugang zu Wasser garantieren. Im Moment legt die Politik aber ihre Priorität definitiv auf die Industrie."
Nach Recherchen der mexikanischen Plattform Poplab verfügen die großen Industrien insgesamt über doppelt so viel Wasser wie die Privathaushalte. Der aktuelle Wassermangel in der Bevölkerung: Mitnichten nur eine Klimakrise, sondern eine politische Krise. Denn Wasser fließt, für Landwirtschaft und Schwerindustrie und auch für die großen Getränkehersteller wie Coca-Cola und Heineken.
80 Prozent Mexikos von Trockenheit betroffen
Doch auch wenn der Klimawandel nicht Hauptverursacher für die Dürre in der ohnehin trockene Region ist, auch im Norden Mexikos werden die Extreme zunehmen, sagt der Hydrologe Jürgen Mahlknecht, Forscher des Technischen Instituts von Monterrey. Deshalb müssten dringend Pläne vorbereitet werden, wie das wenige Wasser künftig besser gespeichert werden kann.
"Wenn eine Stadt ständig wächst, denken die Behörden immer darüber nach, wo sie mehr Wasser herbekommen, aus Flüssen, Stauseen, unterirdischen Wasserquellen. Ich denke aber, wir müssen in Zukunft dringend umdenken: Wie können wir das Wasser recyclen und erneut nutzen?" Bisher in Mexiko keine Selbstverständlichkeit: Viele Industriezweige leiten nach Recherchen von Poplab ihr verunreinigtes Wasser oft ungefiltert zurück in die Umwelt.
Das knappe Wasser in Mexiko - während die einen es nicht wertschätzen, bringt es andere in Existenznot. Schon jetzt leiden 80 Prozent Mexikos unter der Trockenheit. So auch Ofelios Iverios Infante, Bewohner eines kleinen Dorfes in der Sierra bei Torreon. "Wir wollen Wasser! Wasser ist Leben! Wenn die Situation so bleibt, dann müssen wir hier weg," befürchtet er. Nur einer von vielen, die darüber nachdenken, ihre Heimat zu verlassen, wenn sich die Lage nicht ändert.