Kommunalwahlen in Nicaragua Die Kirche als größter Regierungskritiker
Seine Konkurrenz ließ Nicaraguas Präsident Ortega vor seiner Wiederwahl einfach verhaften. Dass Kritik an der Regierung längst nicht mehr möglich ist, spürt auch die Kirche des zentralamerikanischen Landes.
Von Anne Demmer, ARD-Studio Mexiko-Stadt
Zivile Paramilitärs würden regelmäßig den Gottesdienst filmen. Auf der Straße seien überall Polizeikräfte zu sehen, die Repression sei massiv, beschreibt Juan Davila die Situation am Telefon. Seinen richtigen Namen möchte das Kirchenoberhaupt nicht nennen, aus Angst verhaftet zu werden. Gleichzeitig versuche die Regierung der Bevölkerung Normalität vorzugaukeln.
"Sie verbreiten, dass es Arbeit gebe, dass sich die Menschen amüsieren, dass alles normal und sicher ist", sagt Davila. Viele beantragten derzeit ihren Reisepass, um das Land zu verlassen. "Die Menschen haben Angst. Sie wollen nicht hier bleiben", sagt er. Weder für Kinder noch für die Jugend, gebe es hier eine Zukunft.
Kirche im Visier des Regimes
Lange Zeit war die Kirche ein Zufluchtsort für kritische Stimmen und ist selbst immer mehr zu einer geworden. Doch in den vergangenen Monaten wurden Gemeindemitglieder und Kirchenmitarbeiter verhaftet, berichtet Juan Davila. Einer der schärfsten Kritiker des Regimes, Bischof Rolando Álvarez, steht immer noch unter Hausarrest, Radiosender der Kirche wurden abgeschaltet.
Größere Versammlungen der Kirche seien verboten, berichtet Davila. Alles brauche mittlerweile eine Erlaubnis. "Sie haben Angst vor der Kritik der Bevölkerung. Sie haben Angst vor Versammlungen, weil sie wissen, dass man sich dort gegen sie ausspricht", sagt er.
Der aktuelle Präsident Daniel Ortega bei seiner Vereidigung im verganenen Jahr. Ortega ist bereits seit 2006 im Amt.
Der Präsident schießt zurück
In einer Ansprache von Präsident Daniel Ortega, die Ende September im Radio und Fernsehen übertragen wurde, steht die Kirche einmal mehr unter Beschuss, wehrt sich der Präsident gegen jegliche Kritik an seinem autoritären Regierungsstil. Welche Berechtigung habe die Kirche, ihn über Demokratie zu belehren. Wer wähle die Priester, Bischöfe oder den Papst, fragte Ortega. Das seien die Kardinäle, antwortete er sich selbst.
Wenn sie demokratisch sein wollen, dann sollen sie damit beginnen, den Papst, die Kardinäle, die Bischöfe mit der Stimme der Katholiken, mit der Stimme des Volkes zu wählen, die Priester jeder Gemeinschaft zu wählen, sie vom Volk wählen zu lassen und nicht, dass alles auferlegt wird, das ist Diktatur. Die perfekte Diktatur ist die Tyrannei. Perfekte Tyrannei.
Christliche Werte im Wahlwerbespot
Trotz seiner beständigen Attacken gegen Kirchenvertretende, denen er Verschwörung und Destabilisierung des nicaraguanischen Staates vorwirft, spielt im Diskurs von Präsident Ortega traditionell der christliche Glaube eine herausragende Rolle. Mit einem Wahlwerbespot angesichts der anstehenden Kommunalwahlen richtet sich die Regierungspartei, die Sandinistische Nationale Befreiungsfront, explizit an die christlichen Familien, die Mehrheit in dem katholisch geprägten mittelamerikanischen Land.
Wir sind das Volk, das siegt. Wir übernehmen Verantwortung und halten die Fahne hoch. Wir schützen unser heiliges Nicaragua - heißt es in dem Clip.
Verboten, verhaftet, getötet
Vor genau einem Jahr wurde Daniel Ortega im Amt bestätigt. Im Vorfeld der Wahlen hatte er sieben Gegenkandidaten kalt gestellt, sie inhaftieren lassen. Die EU und die USA hatten den Wahlen die Legitimität abgesprochen.
Seit den Studentenprotesten im Jahr 2018, die blutig niedergeschlagen wurden und bei denen laut Menschenrechtsorganisationen mehr als 350 Menschen ums Leben gekommen sind, wurden über 1000 Nichtregierungorganisationen verboten - darunter Umwelt-, Menschenrechts-, Frauen- und Kulturorganisationen. Die EU-Botschafterin wurde zur "persona non grata" erklärt und des Landes verwiesen.
Mehr als 3,7 Millionen Nicaraguaner waren am Sonntag bei den Kommunalwahlen in dem zentralamerikanischen Land aufgerufen, Bürgermeister, deren Stellvertreter sowie weitere lokale Amtsträger der 153 Gemeinden des Landes zu wählen. 141 von ihnen werden derzeit von der Regierungspartei regiert.
Die nicaraguanische Opposition, überwiegend im Exil, kritisierte die Kommunalwahlen scharf. Der Sprecher des Bündnisses Unidad Nacional Azul y Blanco, Héctor Mairena, bezeichnete die Abstimmung als Farce und sprach von einer sehr geringen Beteiligung. Das bestätige, dass große Teile der Bevölkerung die Wahl ablehnten, obwohl die Regierung Druck auf die Wähler ausgeübt habe, damit sie teilnehmen, so Mairena.