U-Ausschuss zum Sturm auf Kapitol "Ich will nur 11.780 Stimmen finden"
Im U-Ausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol haben mehrere ehemalige Trump-Unterstützer ausgesagt. Der Ex-Präsident habe sie nach der verlorenen Wahl massiv unter Druck gesetzt - mit schlimmen Folgen für sie und ihre Familien.
Parlamentarier und Regierungsvertreter aus US-Bundesstaaten haben ausgesagt, nach der verlorenen Wahl im Jahr 2020 vom Team des damaligen US-Präsidenten Donald Trump unter Druck gesetzt worden zu sein. In einer Anhörung des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das US-Kapitol ging es um die Zeit nach der Präsidentenwahl: Trump hatte die Wahl verloren, leugnet dies aber bis heute.
Bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses sagte unter anderem der für die Wahlorganisation im Bundesstaat Georgia zuständige Staatssekretär Republikaner Brad Raffensperger aus. Georgia war einer der Bundesstaaten, in denen sich die Wahl zugunsten von Joe Biden entschied. Trump hatte Raffensperger damals in einem Telefonat unverhohlen aufgefordert, genügend Stimmen für seinen Wahlerfolg in Georgia zusammenzubringen.
Eine Aufnahme des Gesprächs wurde damals an Medien weitergegeben. Darin war unter anderem zu hören, wie Trump sagt: "Ich will nur 11.780 Stimmen finden."
Auseinandersetzung am Telefon
Während der Anhörung wurden diverse Mitschnitte des 67-minütigen Telefonats abgespielt, in dem Raffensperger dem Präsidenten mehrfach widersprach. Raffensperger sagte bei der Sitzung, es gebe keine Zweifel, dass Biden die Wahl in Georgia mit einem Abstand von etwa 12.000 Stimmen gewonnen habe.
Mehrere Neuauszählungen seien zum gleichen Ergebnis gekommen. "Die Zahlen sind die Zahlen, und die Zahlen lügen nicht", sagte Raffensperger. "Da waren keine Stimmen zu finden." Die Zählung sei korrekt gewesen. Es habe damals viele Anschuldigungen gegeben, "und wir haben jede einzelne untersucht".
Raffensperger berichtete von Drohungen gegen ihn und seine Ehefrau nach seiner Weigerung, Trumps Aufforderung zu folgen. All das sei sehr beunruhigend gewesen.
"Die Zahlen sind die Zahlen, und die Zahlen lügen nicht", sagte Georgias republikanischer Staatssekretär Raffensperger.
Angeblicher Wahlbetrug auch in Arizona
Ähnliches berichtete der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses von Arizona, Russell Bowers. Der einstige Trump-Unterstützer beschrieb, wie dessen Team nach der Wahl 2020 mit Behauptungen auf ihn zugekommen sei. Demnach hätte es im Bundesstaat Arizona Fälle von Wahlbetrug gegeben. Niemand aus Trumps Team habe ihm aber jemals Beweise dazu vorgelegt.
Bowers legte dar, wie ihn Trump und dessen Team bedrängt hätten: Sie hätten im Repräsentantenhaus von Arizona ein Prozedere anstoßen sollen, das Trumps Wahlniederlage in dem Bundesstaat nachträglich entgegengewirkt hätte. Dies wäre jedoch sowohl gegen das Gesetz als auch gegen seinen Amtseid gewesen, so Bowers. Er habe auch Trump persönlich mehrfach klar gemacht, dass er für ihn nichts Illegales tun werde.
"Unerbittliche, zerstörerische Druckkampagne"
Bowers habe sich dem Druck weiter nicht gebeugt. Daraufhin seien jede Woche Protestierende vor seinem Wohnhaus aufmarschiert, berichtete er weiter. Diese hätten ihn als pädophil, pervers und korrupt beschimpft, ihn bedroht und seine Nachbarschaft tyrannisiert.
Bei seiner Aussage im Senat war Bowers zeitweise den Tränen nahe. Auch seine Frau sei mit Schmähungen überzogen worden, vor dem Haus seiner schwerkranken Tochter habe ein wütender Mob getobt.
Dabei sei er ein Mann mit Prinzipien und tiefer Überzeugung: "Es ist ein Grundpfeiler meines Glaubens, dass die Verfassung göttlich inspiriert ist. Und das zu tun, weil das jemand möchte, das ist mir total wesensfremd."
Umfragen zufolge sind mehr als zwei Drittel der Republikaner davon überzeugt, dass Trump um seinen Wahlsieg gebracht wurde. In ihrem am Wochenende verabschiedeten Parteiprogramm bezeichnen die Republikaner in Texas die Wahl von Joe Biden zum Präsidenten als unrechtmäßig.
"Die Lüge ist noch nicht verschwunden"
In Mitschnitten vorangegangener Zeugenbefragungen berichteten weitere Vertreter aus den Bundesstaaten Ähnliches wie Raffensperger und Bower. Der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sagte: "Die unerbittliche, zerstörerische Druckkampagne auf staatliche und lokale Beamte beruhte auf einer Lüge."
Trump habe das gewusst und habe es trotzdem getan. Thompson sagte, diese Lüge sei noch immer nicht verschwunden.
Todesdrohungen, Rassismus und blanker Hass
Auch Ruby Freeman, die in Georgia Stimmen auszählte, sagte vor dem Gremium aus. "Weißt du, wie sich das anfühlt, wenn dich der Präsident der Vereinigten Staaten ins Visier nimmt?", fragte sie. "Es geht um Ruby Freeman. Sie ist eine professionelle Wahlfälscherin, eine Schwindlerin", hatte Trump damals gesagt. Freeman und ihre Tochter Shaye Moss, so Trumps nie bewiesene Anschuldigung, sollen in großem Stil gefälschte Wahlzettel in die Zählmaschinen geschmuggelt haben.
Eine Welle des Hasses brach daraufhin über die beiden afroamerikanischen Frauen herein. Niemand bekomme mehr ihre Visitenkarte, niemand solle ihren Namen wissen, sagt Moss.
"Ich gehe nirgends mehr mit meiner Mutter hin, die im Laden meinen Namen rufen könnte. Ich geh da gar nicht mehr hin", erzählt Moss. "Ich bin überhaupt nirgends mehr hingegangen. Ich habe 30 Kilo zugenommen. Es beeinflusst mein Leben ziemlich, in allem." Todesdrohungen, Rassismus und blanker Hass schlügen ihr entgegen.
Trump hält an seiner Erzählung fest
Trump behauptet weiterhin - ohne Belege -, er sei durch Wahlbetrug um den Sieg bei der Präsidentenwahl 2020 gebracht worden. Damals hatte er über Wochen versucht, den Wahlsieg seines demokratischen Herausforderers Biden nachträglich zu kippen. Doch Trumps Lager scheiterte damals auch mit Dutzenden Klagen gegen die Wahlergebnisse. Der Widerstand gegen den Wahlausgang gipfelte in der Attacke auf das US-Kapitol. Diese arbeitet der Untersuchungsausschuss nun auf.
Anhängerinnen und Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Fünf Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben. Trump hatte seine Gefolgsleute kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er musste sich danach einem Amtsenthebungsverfahren stellen, an dessen Ende er freigesprochen wurde.
Mit Informationen von Reinhard Baumgarten, ARD-Studio Washington