Vorstoß des US-Präsidenten Biden will landesweites Abtreibungsrecht
Erst kürzlich kippte das oberste US-Gericht das grundsätzliche Recht auf Abtreibungen. Diese werden dadurch vielerorts schwierig. Der US-Präsident will nun Parlamentsregeln umgehen, um ein landesweites Abtreibungsrecht zu verankern.
US-Präsident Joe Biden hat sich für die Aussetzung einer uralten Regel im Senat ausgesprochen, um in den Vereinigten Staaten per Gesetz ein landesweites Recht auf Abtreibung durchzusetzen. Biden äußerte seine Unterstützung für einen solchen Vorstoß bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des NATO-Gipfels in Madrid. Die Erfolgschancen für diesen Weg stehen derzeit jedoch schlecht.
Die Abtreibungsentscheidung des obersten US-Gerichts kritisierte Biden bei seinem Auftritt als skandalös und destabilisierend. Er rief US-Bürgerinnen und -Bürger auf, bei der Kongresswahl im November ihre Stimme abzugeben, wenn auch sie die Entscheidung für einen Fehler hielten. Nur so lasse sich daran etwas ändern.
Supreme Court hebt Grundsatzurteil auf
In den USA gibt es derzeit kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Denn der Supreme Court kippte kürzlich ein altes Grundsatzurteil, das Abtreibungen mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubte - also etwa bis zur 24. Woche. Diese als "Roe v. Wade" bekannte Entscheidung aus dem Jahr 1973 war durch ein weiteres Urteil von 1992 bestärkt worden, die Rechtssprechung wurde damals angepasst.
Die aktuelle Abkehr des Supreme Courts von dieser Rechtssprechung machte nun den Weg frei für eigene Gesetze in den einzelnen Bundesstaaten. In rund der Hälfte von ihnen dürften Abtreibungen stark eingeschränkt oder gar untersagt werden.
Biden will Ausnahme von Parlamentsregeln
Biden hat bereits angekündigt, er wolle alles Erdenkliche tun, um Frauen den Zugang zu Abtreibungen zu sichern. Seine Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. "Wir müssen Roe v. Wade gesetzlich verankern. Und das können wir nur erreichen, wenn der Kongress dafür stimmt", sagte Biden in Madrid. "Und wenn der Filibuster dem im Wege steht, sollte es wie beim Wahlrecht sein, dass wir dafür eine Ausnahme vorsehen."
Bidens demokratische Partei hat im Senat allerdings nur eine hauchdünne Mehrheit. Sie kontrolliert 50 Sitze, also exakt die Hälfte - und wird daher regelmäßig vom Filibuster ausgebremst.
Der Filibuster ist eine mehr als 100 Jahre alte Regelung, die besagt, dass bei vielen Gesetzesvorhaben 60 der 100 US-Senatorinnen und -Senatoren einem Ende der Debatte zustimmen müssen, damit es überhaupt zu einem Votum in der Kongresskammer kommen kann.
Durch Dauerreden - manchmal genügt schon die bloße Androhung - kann eine Minderheit eine Beschlussfassung verhindern oder verzögern. Denn US-Senatorinnen und -Senatoren können laut Geschäftsordnung so lange reden, wie sie wollen.
Die längste Rede hielt Strom Thurmond aus South Carolina im August 1957: 24 Stunden, 18 Minuten.
Geringe Erfolgsaussichten für Biden
Die Demokraten hatten bereits versucht, das Recht auf Abtreibung mit einem bundesweiten Gesetz zu verankern, waren dabei aber an eben dieser Regelung gescheitert, wie auch in anderen Fällen.
Angesichts der Blockade durch die Republikaner hatten die Demokraten im Senat bereits bei einer Wahlrechtsreform eine Ausnahme von der Filibuster-Regel beschließen wollen. Dagegen votierten aber auch zwei Abweichler aus den eigenen Reihen: die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema. Die Erfolgsaussichten gelten daher als gering.
Biden rief die Wählerinnen und Wähler auf, bei der Wahl im November ihre Stimme abzugeben, um etwas an den Mehrheitsverhältnissen im Kongress zu ändern. Denn Bidens Demokraten laufen Gefahr, bei der Wahl ihre knappe Mehrheit in einer oder gar beiden Kongresskammern zu verlieren.
"Skandalöses Verhalten des Obersten Gerichtshofs"
Die Frage, ob die Gerichtsentscheidung das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten ankratze, verneinte Biden in Madrid und sagte, das Land stehe insgesamt gut da. "Amerika ist besser aufgestellt, um die Welt zu führen, als wir es je waren", sagte Biden.
Die Wirtschaft etwa sei stark, die Inflationsrate weniger hoch als anderswo. "Das Einzige, was destabilisierend wirkt, ist das skandalöse Verhalten des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten", sagte der US-Präsident.