Reaktionen auf Supreme-Court-Urteil Proteste gegen Abtreibungsverbote
In vielen US-Städten gab es Proteste gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts. In Alabama wurden Fakten geschaffen: Dort trat ein Gesetz in Kraft, nach dem Abtreibungen generell verboten sind.
"Diese Entscheidung darf nicht Bestand haben", ruft die Menge und fordert "Legale Abtreibungen auf Wunsch". Tausende kamen gestern zum Supreme Court in Washington und hielten ihre Plakate hoch. Die einen, weil sie nicht aufgeben wollten - Ellen zum Beispiel, eine Frau Anfang 70. Auf ihrem Schild ein Zitat der Frauenrechtlerin Gloria Steinem: "Wenn Männer schwanger werden könnten, wäre Abtreibung ein Sakrament". Sie sei Anfang 20 gewesen, als der Gerichtshof das Recht auf Abtreibung bestätigte. Sie und die Menschen ihres Alters hätten großes Glück gehabt, diese Möglichkeit zu besitzen, meint sie.
Ein paar Meter weiter ist Paige, 26 Jahre alt, sehr stolz darauf, dass sie zu einer ganz anderen Generation gehört, zu der nämlich, die das fast 50 Jahre alte Recht gekippt hat, weil, "Abtreibung die derzeit schlimmste Verletzung der Menschenrechte in den USA" sei. Und von Regelungen wie der deutschen Fristenlösung hält sie nichts. Alle diese Grenzen seien willkürlich, es sei doch immer dasselbe Kind von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, sagt die junge Frau.
Demonstrationen und neue Gesetze
In vielen Städten in den USA wurde am Abend demonstriert, anderswo wurden Fakten geschaffen. In Alabama trat sofort ein Gesetz in Kraft, nach dem Abtreibungen generell verboten sind. Drei Kliniken mussten schließen, darunter das Frauenzentrum von West-Alabama.
Managerin Robin Marty und ihre Kolleginnen stornierten alle Termine und schickten Frauen nach Hause. "Da kam eine Minderjährige mit ihrer Mutter, Opfer einer sexuellen Nötigung", schilderte Marty im Sender NPR. "Für sie gibt es jetzt keine Ausnahme in Alabama, sie bekommt hier keine Abtreibung."
Bundesstaaten dürfen alleine entscheiden
Ähnliche Geschichten dürften sich in einem Dutzend weiterer Staaten abgespielt haben. In Arkansas, Kentucky und Oklahoma etwa traten ebenfalls sofort Verbote in Kraft. Bald dürfte es in mehr als der Hälfte der US-Staaten schwierig bis unmöglich sein, eine Abtreibung zu bekommen.
Denn das ist der Kern des gestrigen Urteils: Die Entscheidung darüber, ob Abtreibungen verboten oder erlaubt sind, wird nun ganz allein von den Bundesstaaten getroffen.
Komplizierte, rechtliche Fragen
Und es ist noch nicht zu Ende, vermuten Experten wie Mary Ziegler, Jura-Professorin in Florida. Bundesstaaten könnten versuchen, ihren Bürgerinnen zu verbieten, zu einer Abtreibung zu reisen. Diese Kämpfe werfen komplizierte, rechtliche Fragen auf, die wieder vor dem Supreme Court laden könnten, so Ziegler im Sender PBS.
Vier Politikerinnen und Politiker der Demokraten haben sich nun an die Handelsbehörde FTC gewandt. Sie soll eine Untersuchung gegen die Konzerne Apple und Google auf den Weg bringen, weil sie Daten über Aufenthaltsorte sammeln und weitergeben. Die Privatsphäre von Frauen, die sich um eine Abtreibung bemühen, sei in Gefahr, so wird befürchtet.