Katalonien-Konflikt Anklage gegen Puigdemont und Minister
In der Katalonien-Krise greift die spanische Justiz durch. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Kataloniens entmachteten Regionalpräsidenten Puigdemont und mehrere Minister. Ihnen wird unter anderem Rebellion vorgeworfen.
Die spanische Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Kataloniens ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und weitere Angehörige der abgesetzten Regierung erhoben. Die Vorwürfe gegen die Angeklagten lauteten unter anderem auf Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Unterschlagung öffentlicher Gelder, sagte Generalstaatsanwalt José Manuel Maza in Madrid.
Die Angeklagten würden als Beschuldigte zu Anhörungen vorgeladen, sagte Maza. Man schließe aufgrund der Schwere der Verbrechen keine Maßnahmen - also Inhaftierung und anschließende U-Haft - aus, betonte er. Die Angeklagten hätten "eine institutionelle Krise verursacht, die mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung (durch das katalanische Parlament) geendet" habe, sagte Maza.
Sollten Puigdemont und die übrigen Angeklagten wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder gar Rebellion verurteilt werden, drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft.
Puigdemont in Brüssel
Mitarbeiter der spanischen Regierung erklärten, Puigdemont sei nach Brüssel gereist. Medienberichten zufolge sollen auch einige Minister ausgereist sein. Die katalanische Tageszeitung "La Vanguardia" berichtet, Puigdemont werde am Nachmittag eine Erklärung abgeben.
Nach Einschätzung des ARD-Korrespondenten Kai Küstner deutet vieles darauf hin, dass Puigdemont sich nach Freunden in Europa umzusehen versucht. Die Reise nach Brüssel könnte aber auch der Vorbereitung für einen Asylantrag in Belgien dienen.
Belgischer Minister will Katalanen Asyl bieten
Am Wochenende hatte in dem Zusammenhang der für Asyl und Migration zuständige Minister in Belgien, Theo Francken, für Entrüstung gesorgt. Francken gehört der N-VA an, einer Partei, die die Abspaltung Flanderns von Belgien fordert. Er hatte erklärt, dass Verfolgte in Katalonien durchaus dazu berechtigt seien, in Belgien Asyl zu beantragen. Das konnte als unmissverständliche Einladung an Puigdemont und andere verstanden werden.
Francken brüskierte mit seinem Vorstoß die spanische Regierung, seinen eigenen Regierungschef in Belgien und die Verantwortlichen in der gesamten EU, die sich zuvor einhellig in diesem Konflikt auf die Seite Madrid geschlagen hatte.
Zwangsverwaltung ohne Zwischenfälle
Die Regierung von Spaniens konservativem Premierminister Mariano Rajoy hatte die Regionalregierung am Samstag offiziell abgesetzt, nachdem am Freitag das Regionalparlament kurz vor Inkrafttreten der Madrider Zwangsmaßnahmen einen Unabhängigkeitsbeschluss verabschiedet hatte.
Heute begann der erste Arbeitstag in Katalonien unter Zwangsverwaltung der spanischen Zentralregierung ohne Zwischenfälle. Die meisten der 300.000 Staatsbediensteten erschienen am Morgen wie üblich zur Arbeit. Berichte über zivilen Ungehorsam gab es nicht. Auch die entlassenen Regierungsmitglieder widersetzten sich nicht offensichtlich den Anordnungen. Es gab auch keine Anzeichen für spontane Proteste auf den Straßen. Eine Routinesitzung des katalanischen Parlaments wurde abgesetzt.
Die Zwangsverwaltung der wirtschaftsstarken Autonomen Gemeinschaft im Nordosten des Landes soll mindestens bis zur Abhaltung der für den 21. Dezember einberufenen Neuwahlen laufen.
Puigdemont von Passanten bejubelt
In einer TV-Rede hatte Puigdemont am Samstag durchblicken lassen, dass er seine Amtsenthebung nicht anerkennt. Der 54-Jährige rief die Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung zum friedlichen "demokratischen" Widerstand auf und sagte, er wolle weiter für die Gründung eines "freien Landes" arbeiten. Danach spazierte er in seiner Heimatstadt Girona mit seiner Ehefrau und wurde von Passanten bejubelt.
Neben Puigdemont waren auch die übrigen Mitglieder der Regierung in Barcelona ihrer Ämter enthoben worden. Insgesamt mussten 150 Regierungsmitarbeiter gehen. Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt. Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido hatte am Sonntag an die nationalen und katalanischen Polizeieinheiten appelliert zu kooperieren, um einen reibungslosen Ablauf der Wahl im Dezember zu gewährleisten.