Russland feiert den 9. Mai Parade im Zeichen der "Spezialoperation"
Mit einer großen Militärparade feiert Russland den Sieg über Nazideutschland. Einen Sieg über die Ukraine kann Präsident Putin nicht verkünden. Auch deshalb wird mit Spannung seine Rede erwartet.
Überall auf den Brücken, den großen und kleinen Plätzen der russischen Hauptstadt wehen rote Fahnen. "Pobeda" - "Sieg" steht auf einigen. Auffällig ist, dass anders als sonst die Jahreszahlen fehlen.
Es geht dem Kreml nicht mehr nur um den Sieg über Hitlerdeutschland. Der Nazismus habe sein Haupt erneut erhoben, ließ der russische Präsident in Glückwunschtelegrammen an ehemalige Sowjetrepubliken wissen. Es sei die heilige Pflicht, ihn erneut zu bekämpfen, fasste der Nachrichtensprecher Wladimir Putins Aussagen im staatlichen Fernsehen zusammen: "Er ist überzeugt, dass wie 1945 der Sieg unser sein wird."
Und nicht nur der Sieg. Der Generalsekretär der Kreml-Partei Geeintes Russland, Andrej Turtschak, erklärt bei einem Besuch in den nach russischer Lesart "befreiten" Gebieten ganz offen: "Russland ist hier für immer. Daran sollte keiner zweifeln. Es wird keine Rückkehr zum Bisherigen geben. Wir werden vereint sein. Deshalb: Alles Gute zum Tag des Sieges!"
Besinnung auf die Vergangenheit
Staatliche russische Medien zeigen Abgeordnete wie Igor Kostjukewitsch in Kampfmontur, die Veteranen Geschenke überreichen. Aber auch Lebensmittelpakete, auf Anordnung Putins 10.000 Rubel. Umgerechnet rund 140 Euro.
Der Kreml-Chef kann heute zwar keinen Sieg über die Ukraine und ihr angeblich "faschistisches Regime" verkünden. Aber der Ton ist gesetzt. Der russische Oppositionspolitiker Leonid Gozman rechnet mit einer Art Neuauflage der Parade aus dem November 1941: "Er wird sagen, dass so wie unsere Großväter das Land vor dem Nazismus verteidigt haben, werden wir das auch tun. Und dann: vorwärts, vorwärts. Unsere Sache ist gerecht - der Sieg wird unser sein."
Dass der russische Präsident das Kriegsrecht verhängt, um die Generalmobilmachung anzuordnen, wie britische Medien spekulierten, davon gehen in Russland nur wenige politische Beobachter aus. Dass der Kreml-Chef aber bei der Parade einiges auffahren lässt, um zu zeigen, dass Russland bereit ist, an und über Grenzen zu gehen, das steht außer Frage.
Raketen, Panzer, Kampfflugzeuge
Rund 11.000 Soldaten werden über den Roten Platz marschieren. Flankiert von Panzern, Raketen und Kampfrobotern. Darunter neue Technik, aber auch Waffensysteme, die in der Ukraine im Einsatz sind. Das Z - das für die Unterstützung der militärischen "Spezialoperation" steht, wie der Krieg hier genannt werden muss, für das JA zum Kreml-Kurs - wird allgegenwärtig sein. Selbst am Himmel. Acht Kampfjets werden in Z-Formation über den Roten Platz fliegen. Ebenso wie eine Iljuschin 80, die im Falle eines Nuklearkrieges als fliegender Gefechtsstand dienen soll.
Bejubelt werden wird die Parade auch dieses Mal von Zehntausenden Schaulustigen. "Es ist für alle ein heiliger Feiertag, der mit großen Gefühlen einhergeht. Ein wichtiges Datum", sagt Dima, der überzeugt ist, dass die Menschen angesichts der aktuellen Lage nun noch enger zusammenrücken würden. "Ich weiß nicht, vielleicht hat sich bei dem ein oder anderen etwas geändert. Mit Blick auf die Ereignisse. Für mich definitiv nicht", sagt eine Frau, deren Großmutter im Zweiten Weltkrieg als Funkerin gearbeitet hat.
Der 9. Mai ist ein Tag der Erinnerung. Aber auch ein Tag, an dem das Land auf einen neuen, zutiefst patriotischen Kurs eingeschworen werden wird, der keinen Platz lässt für Kompromisse.