Bennett in Washington Spagatversuch im Oval Office
Israels Ministerpräsident Bennett will beim Treffen mit US-Präsident Biden vor allem darüber reden, wie die nuklearen Pläne des Iran verhindert werden können. Andere Konfliktthemen dürften bei dem Gespräch ausgeklammert werden.
Er steht unter Beobachtung, und er weiß es. In Israel wird genau verfolgt, wie der Besuch von Naftali Bennett im Weißen Haus verläuft. Für jeden israelischen Regierungschef sind gute Beziehungen zum wichtigsten Verbündeten von Bedeutung.
Für Bennett, der erst wenige Monate im Amt ist, ist das Treffen mit Joe Biden extrem wichtig. Es muss harmonisch verlaufen. Die Ausgangslage dafür ist gut. Das Verhältnis zwischen den nun regierenden US-Demokraten und Bennetts Vorgänger Benjamin Netanyahu war nicht so gut.
"Problemthemen unter dem Radar halten"
Der Machtwechsel in Jerusalem habe in Washington für Erleichterung gesorgt, fasst der Politologe und ehemalige stellvertretende israelische nationale Sicherheitsberater Chuck Freilich zusammen. "Die Biden-Administration wünscht sich sehr, dass diese Regierung Erfolg hat. Zum einen, weil sie nicht wollen, dass Netanyahu zurückkommt, und auch, weil viele Menschen glauben, dass Israel tiefgreifende Reformen braucht. Ich denke, sie werden Problemthemen vielleicht nicht ganz von der Tagesordnung nehmen, aber mindestens unter dem Radar halten."
Das gilt nicht für das Problemthema Iran. Auch die Regierung Bennett steht den Verhandlungen über einen Wiedereinstieg der USA in das Atomabkommen mit dem Iran skeptisch gegenüber. Sie hielt sich, anders als Bennetts Vorgänger Netanyahu, mit öffentlicher Kritik aber zurück. Analyst Freilich erklärt dazu: "Sie wollen ganz klar keine Konfrontation mit den USA. Sie haben über alle Gespräche mit den USA in dieser Sache bisher geschwiegen. Dass es Meinungsverschiedenheiten gibt, haben sie nicht verschwiegen und das ist ok. Alliierte können unterschiedlicher Meinung sein. Die Frage ist, wie man damit umgeht."
"Nukleare Absichten des Iran stoppen"
Aus Sicht der Bennett-Regierung sind die Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Nukleardeals bereits an einem toten Punkt angekommen. Der Vertrag sei nicht mehr relevant, und das werde er dem US-Präsidenten sagen, erklärte Bennett wenige Tage vor seiner Reise. "Wir werden es aber nicht dabei belassen und einen ausgearbeiteten Plan vorlegen, den wir in den vergangenen zwei Monaten aufgestellt haben. Ziel ist es, die nuklearen Absichten des Iran und sein aggressives Vorgehen in der Region zu stoppen." Bennett werde dem US-Präsidenten sagen, dass Israel sich das Recht vorbehält, militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen, spekulierten israelische Medien. Sie zitierten Äußerungen des Generalstabschefs, wonach die Armee an entsprechenden Plänen arbeite.
Israels Verteidigungsminister Benny Gantz sagte bei einem Treffen mit Diplomaten in Tel Aviv, sein Land werde nicht warten, bis der Iran einsatzfähige Atomwaffen habe. "Diese Situation können wir nicht zulassen. Natürlich haben wir Optionen. Wir haben sie in der Vergangenheit genutzt, und vielleicht müssen wir sie in der Zukunft nutzen. Wir dürfen dem Iran nicht gestatten, nukleare militärische Fähigkeiten zu haben."
Verhandlungen mit Palästinensern nicht in Sicht
Der israelisch-palästinensische Konflikt hat für die neue US-Regierung keine Priorität. Man dringt nicht auf Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, weil man ihnen keine Chance auf Erfolg einräumt. Die palästinensische Politik ist gespalten und wirkt nicht verhandlungsfähig. In der neuen israelischen Regierungskoalition sind keine Mehrheiten für Verhandlungen mit den Palästinensern erkennbar.
Bennett dämpfte Erwartungen und erklärte vor seiner US-Reise, seine Regierung werde weder jüdische Siedlungsgebiete im Westjordanland annektieren noch die Gründung eines palästinensischen Staates zulassen. Thema beim Treffen mit Biden wird voraussichtlich auch die Frage sein, wie die zuletzt wieder äußerst angespannte Lage an Israels Grenze zum Gaza-Streifen beruhigt und eine neuerliche Eskalation mit der Hamas vermieden werden kann.