Generaldebatte in New York Armenien fordert UN-Mission für Bergkarabach
Während in Bergkarabach die Entwaffnung proarmenischer Kämpfer begonnen hat, wächst die Sorge um den Schutz der armenischen Bevölkerung in der Region. In New York forderte Armeniens Außenminister eine UN-Mission für Bergkarabach.
Armenien hat nach dem militärischen Sieg von Aserbaidschan in der Kaukasusregion Bergkarabach eine UN-Mission zur Sicherung der armenischen Bevölkerung gefordert. Die Vereinten Nationen müssten unverzüglich Truppen entsenden, um die "Menschenrechts- und Sicherheitslage vor Ort zu überwachen und zu bewerten", sagte der armenische Außenminister Ararat Mirsojan bei der UN-Generaldebatte in New York.
Mirsojan warf den Vereinten Nationen Untätigkeit vor. Die "wahrlich verheerenden Entwicklungen" in der Region hätten gezeigt, dass die Probleme "nicht allein durch Stellungnahmen und allgemeine Aufrufe" gelöst werden könnten, sagte Mirsojan. Es müsse sofort eine UN-Mission nach Berg-Karabach entsandt werden, um die Menschenrechtslage sowie die humanitäre Lage und Sicherheitssituation zu überwachen.
Mirsojan zog in seiner Rede bei der UN-Generaldebatte eine Parallele zum Völkermord in Ruanda im Jahr 1994. Die Vereinten Nationen hätten in dessen Folge Präventionsmechanismen geschaffen, um ein ähnliches Verbrechen zu verhindern. Heute stehe die Welt in Bergkarabach "am Rande eines weiteren Fehlschlags", sagte Mirsojan.
Entwaffnung proarmenischer Kämpfer begonnen
Bergkarabach liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt und ist zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken seit langem umkämpft. Am vergangenen Dienstag hatte Aserbaidschan eine Militäroperation zur Eroberung der Region gestartet. Nur einen Tag später ergaben sich die unterlegenen Karabach-Armenier.
Am Samstag hatte die aserbaidschanische Armee die begonnene Entwaffnung pro-armenischer Kämpfer in Bergkarabach bestätigt. Es seien bereits "Waffen und Munition beschlagnahmt" worden, sagte Armeesprecher Anar Ejwasow in der Stadt Schuscha südlich der Gebietshauptstadt Stepanakert. Die aserbaidschanische Armee arbeite dabei "eng mit den russischen Friedenstruppen zusammen".
Aserbaidschan: Werden Armenier als "gleichberechtigte Bürger" behandeln
Bei der UN-Generaldebatte betonte der aserbaidschanische Chefdiplomat Dscheihun Bajramow den Willen Bakus, die armenische Bevölkerung als gleichberechtigte Bürger Bergkarabachs zu behandeln. Bajramow sagte, das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan werde die Rechte der christlichen Armenier achten. Baku sehe eine "historische Gelegenheit" für Aserbaidschan und Armenien, "gute nachbarschaftliche Beziehungen" zu schaffen.
Unmut über Russland
Viele Armenier werfen ihrer traditionellen Schutzmacht Russland, die auch eigene Soldaten vor Ort stationiert hat, vor, sie im Stich gelassen zu haben. Während der kurzen Kämpfe starben armenischen Angaben zufolge mehr als 200 Menschen, mehr als 400 weitere wurden demnach verletzt. Zehntausende armenische Zivilisten in der Region fürchten nun, vertrieben oder von den neuen aserbaidschanischen Machthabern unterdrückt zu werden.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf Armenien seinerseits vor, "hin und wieder Öl ins Feuer zu gießen". Mit Blick auf einen hochrangigen armenischen Politiker, der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen hatte, Bergkarabach an Aserbaidschan übergeben zu haben, sagte Lawrow, dieser Vorwurf sei "lächerlich". Mit der kurz vor dem Ende der Sowjetunion unterzeichneten Erklärung von Alma-Ata im Jahr 1991 sei Bergkarabach "schlicht und ergreifend" Teil Aserbaidschans geworden, sagte Lawrow.
Hilfskonvoi erreicht Region
Unterdessen erreichte am Samstag der erste Hilfskonvoi seit dem Ende der Kampfhandlung die Konfliktregion. Nach Medienberichten passierten Lastwagen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) den armenischen Grenzposten Kornidsor. Die mit "70 Tonnen Hilfsgütern" beladenen Fahrzeuge hätten den "Latschin-Korridor passiert" und würden den Menschen "hauptsächlich humanitäre Güter und Lebensmittel" bringen, sagte die örtliche IKRK-Sprecherin Zara Amatuni der Nachrichtenagentur AFP.
Die Lage in Bergkarabach sowie die humanitäre Versorgung der Menschen vor Ort hatten zuletzt international Besorgnis ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte eine Sicherheitsgarantie für die mehrheitlich armenischen Einwohner der Region. US-Vertreter warfen der autoritären Führung von Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew vor, "eine humanitäre Katastrophe in Bergkarabach" herbeizuführen.