Russland-Ukraine-Konflikt China in der Zwickmühle
Bei den Olympischen Spielen hatte sich Präsident Xi demonstrativ an die Seite von Präsident Putin gestellt. Doch im Russland-Ukraine-Konflikt bleibt Peking vage - vor allem wirtschaftlich steht für China zu viel auf dem Spiel.
Dass sich die chinesische Führung nach dem jüngsten Vorgehen Russlands klar positioniert, war nicht zu erwarten. Stattdessen - wie bisher - allgemeine Aufrufe, der Diplomatie Vorrang zu gewähren und eine militärische Eskalation zu vermeiden.
Der Sprecher der chinesischen Staats- und Parteiführung Wang Wenbin sagt dazu: "China wird weiterhin mit allen Beteiligten in Kontakt bleiben, um auf eine Lösung hinzuarbeiten. Die Lage in der Ukraine verschlechtert sich. China fordert noch einmal alle Parteien auf, sich zurückzuhalten, das Prinzip der Sicherheit durchzusetzen, die Lage zu entschärfen und die Konflikte durch Deeskalation und Verhandlungen zu lösen."
China hat Interesse an Stabilität
Das Vorgehen Russlands versetzt die chinesische Staats- und Parteiführung in eine schwierige Lage. Die Ukraine ist wichtiger Partner des chinesischen "Belt-and-Road"-Infrastrukturprojekts, auf deutsch "neue Seidenstraße" genannt.
Chinesische Staatskonzerne haben in der Ukraine investiert - unter anderem im Landwirtschafts- und Energiesektor. China ist der wichtigste Handelspartner der Ukraine. Die Ukraine liefert unter anderem große Mengen landwirtschaftlicher Produkte wie Getreide nach China, hauptsächlich Mais. Ein militärischer Konflikt könnte Lieferketten unterbrechen und die Preise in die Höhe treiben.
Sanktionen hätten auch Auswirkungen auf China
Darüber hinaus dürften sich Sanktionen der USA und der Europäischen Union gegen Russland auch negativ auf China auswirken. Steigende Rohstoffpreise könnten die chinesische Wirtschaft bremsen, die wegen der Corona-Pandemie ohnehin weniger stark wächst als erhofft. Russland gehört zu den größten Öl- und Gasexporteuren der Welt. China ist stark von Rohstoffimporten abhängig.
Unter anderem der zunehmende Druck demokratisch regierter Staaten, allen voran durch die USA, hat Russland und China zuletzt enger zusammenrücken lassen. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Februar im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Peking empfangen, das chinesische Staatsfernsehen berichtete ausführlich.
Anschließend saßen die beiden bei der Eröffnungsfeier auf der Tribüne, gemeinsam mit vielen Staatschefs anderer autokratisch regierter Länder und Diktaturen.
Das Treffen hatte vor allem symbolischen Charakter, analysiert Jakub Jakóbowski. Er ist China-Experte beim staatlich finanzierten polnischen Institut Centre for Eastern Studies (OSW) in Warschau. Gemeinsame strategische Interessen gebe es schon länger. Zum ersten Mal aber sei diese "informelle Allianz" zwischen China und Russland auf oberster Ebene präsentiert worden.
China gegen NATO-Erweiterung
"China unterstützt Putins Forderungen nach vermeintlicher Sicherheit nun ganz offen. Seit Dezember hat die Volksrepublik schon mehrfach Verständnis für diese Forderungen geäußert. Und dann hat sich China gegen eine Erweiterung der NATO ausgesprochen. Der Kontext ist klar. Russland unternimmt den größten politischen Versuch seit Jahrzehnten, die europäische Sicherheitsarchitektur umzubauen."
Jakóbowski sieht Parallelen zur Annexion der Krim vor acht Jahren. Schon damals habe es Sympathien für das russische Vorgehen gegeben: "China hat die Annexion zwar nicht offiziell gutgeheißen oder anerkannt. Aber wenn man sich mit der chinesischen Seite unterhält, hört man oft, dass die Krim doch früher schon zu Russland gehört hat. Und dass der Krieg nur begonnen hat, weil die USA und die EU demokratische Revolutionen angestachelt habe", so Jakóbowski.
"Der Unterschied heute ist: Jetzt findet das Ganze auf höchster Ebene statt und zu einem ganz besonderen Zeitpunkt: Russland legt sich mit dem Westen an und braucht diplomatische Unterstützung."
China steckt allerdings in der Zwickmühle: Wenn sich die Regierung in Peking komplett auf die Seite Russlands schlägt und einen Krieg in der Ukraine offen unterstützt, riskiert die Staats- und Parteiführung noch schlechtere Beziehung mit der Europäischen Union und mit den USA. Mit Amerika und der EU betreibt China Handel, der vom Volumen um ein Mehrfaches höher ist als der Handel mit Russland. Trotz aller Streitigkeiten.
China versucht seit Jahren unabhängiger von ausländischer Technologie zu werden. Doch die Volksrepublik ist immer noch stark auf Importe von Hochtechnologie angewiesen, vor allem aus den USA, unter anderem in den Bereichen Smartphones, Pharmazie, Halbleiter und Luftfahrt.
Zurückhaltung von China erwartet
Deshalb erwarten Beobachter, dass China sich trotz der offen zur Schau gestellten Einigkeit mit Russland - gegen die USA, gegen eine Erweiterung der NATO und gegen demokratische Revolutionen - nicht direkt für das militärische Vorgehen in der Ukraine aussprechen wird. Weiterhin ist genau so wenig zu erwarten, dass die Staats- und Parteiführung in Peking das Verhalten Russlands offiziell verurteilt.