Russische Teilrepublik Dagestan Verletzte bei Angriff durch antisemitischen Mob
Bei den judenfeindlichen Krawallen im russischen Machatschkala sind offenbar 20 Menschen verletzt worden. Aus den USA und Israel kommt heftige Kritik. Im Nordkaukasus gab es zuletzt mehrere antisemitische Angriffe.
Wegen des Kriegs im Nahen Osten gibt es in Russlands muslimisch geprägtem Nordkaukasus verstärkt judenfeindliche Übergriffe. In Machatschkala in der Teilrepublik Dagestan drang am Sonntagabend eine Menschenmenge in den Flughafen ein, weil dort eine Maschine aus Tel Aviv gelandet war, in der angeblich Flüchtlinge aus Israel saßen. Zahlreiche Menschen stürmten auch auf das Flugfeld.
Bei dem Vorfall seien mehr als 20 Menschen verletzt worden, darunter Einsatzkräfte der Polizei und Zivilisten, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass in der Nacht zum Montag unter Berufung auf das örtliche Gesundheitsministerium. Zehn Menschen seien im Krankenhaus behandelt worden, zwei von ihnen befänden sich in kritischem Zustand
Der Flugplatz wurde vorübergehend geschlossen, ankommende Flugzeuge wurden auf andere Flughäfen umgeleitet, wie die staatliche Flugaufsicht Rosawiazija Tass zufolge mitteilte. Später teilte Rosawiazija mit, Sicherheitskräfte hätten das Gelände geräumt. Der Flughafen bleibe aber bis zum 6. November geschlossen. Nach Angaben des russischen Innenministeriums wurden 60 Menschen festgenommen.
Gouverneur appelliert an Bevölkerung
Dagestans Regionalregierung bekundete auf Telegram ihre Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen, appellierte aber zugleich an die Bürger, sich nicht an solchen Protesten zu beteiligen. "Wir bitten die Einwohner der Republik, die aktuelle Situation in der Welt mit Verständnis zu betrachten. Föderale Behörden und internationale Organisationen unternehmen alle Anstrengungen, um einen Waffenstillstand gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen herbeizuführen."
Der Gouverneur von Dagestan, Sergej Melikow, kündigte Konsequenzen an: Die Aktionen auf dem Flughafen von Machatschkala seien "ein grober Verstoß gegen das Gesetz", schrieb er auf Telegram. Was dort passiert sei, sei "ungeheuerlich" und werde "von den Strafverfolgungsbehörden angemessen bewertet werden".
Der Oberste Mufti von Dagestan, Scheich Achmed Afandi, rief die Einwohner auf, die Unruhen am Flughafen zu beenden: "Dieses Problem kann nicht auf diese Weise gelöst werden. Wir verstehen und empfinden Ihre Empörung sehr schmerzlich", sagte er in einem auf Telegram veröffentlichten Video. "Wir werden dieses Problem anders lösen. Nicht mit Kundgebungen, sondern auf angemessene Weise."
USA verurteilen die Proteste
Der Nationale Sicherheitsrat der USA verurteilte die "antisemitischen Proteste" in Dagestan. "Die USA stehen angesichts eines weltweiten Anstiegs des Antisemitismus an der Seite der gesamten jüdischen Gemeinschaft. Es gibt nie eine Entschuldigung oder Rechtfertigung für Antisemitismus", schrieb Sprecherin Adrienne Watson in der Nacht auf der Plattform X.
Zuvor hatte bereits Israel am Sonntag die russischen Behörden zum Schutz seiner Staatsbürger aufgefordert. Es werde erwartet, "dass die russischen Strafverfolgungsbehörden die Sicherheit aller israelischen Bürger und Juden gewährleisten und entschlossen gegen Randalierer und wilde Aufwiegelung gegen Juden und Israelis vorgehen", erklärten das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und das Außenministerium gemeinsam.
Israel nehme Versuche, israelischen Bürgern und Juden zu schaden, sehr ernst und beobachte die Ereignisse in Dagestan, hieß es in der Mitteilung. Der israelische Botschafter in Russland, Alex Ben Zvi, arbeite mit den russischen Behörden zusammen, um das Wohlergehen von Juden und Israelis vor Ort zu gewährleisten.
Kreml-Sprecher Dimitri Peskow wollte sich zu möglichen Maßnahmen gegen die Teilnehmer zwar nicht äußern. Allerdings zeigte er ein gewisses Verständnis für die aufgeheizte Stimmung vor Ort - viele Menschen seien angesichts der verstörenden Bilder aus dem Gazastreifen aufgebracht. Für den Abend sei eine Sondersitzung mit Präsident Wladimir Putin geplant. Diese müsse man zunächst abwarten - allerdings machte er klar, dass der Kreml den Westen als Drahtzieher der Vorfälle betrachtet.
Extremistische Graffiti
Am Samstag hatte eine Menge ein Hotel in der Stadt Chassawjurt in Dagestan umringt, weil es das Gerücht gab, dort seien Flüchtlinge aus Israel untergebracht. Die staatliche Agentur Ria bestätigte diesen Vorfall. Nach örtlichen Berichten drangen mehrere Dutzend Männer in das Hotel ein, um angeblich die Pässe der Hotelgäste zu kontrollieren. Die Polizei riegelte das Hotel ab.
Verschärft wird die Lage dadurch, dass die Evakuierungsflüge für russische Staatsbürger aus Tel Aviv ausgerechnet im muslimisch geprägten Nordkaukasus landen, nämlich auf den Flughäfen Machatschkala, Mineralnyje Wody und Sotschi.
In Naltschik wurden am Sonntag Reifen neben einem jüdischen Kulturzentrum im Bau angezündet, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria meldete. Das Gebäude wurde nach Angaben der Sicherheitsbehörden der Teilrepublik Kabardino-Balkarien mit extremistischen Losungen beschmiert. Fotos zufolge stand dort "Tod den Juden".
In der Teilrepublik Karatschajewo-Tscherkessien forderten Demonstranten, die örtliche jüdische Bevölkerung auszusiedeln.
Wegen der Gewalt im Nahen Osten hatte sich Präsident Wladimir Putin vergangene Woche mit den Oberhäuptern der in Russland vertretenen Religionen getroffen. Dabei beschwor er ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen in dem großen Land.
Mit Informationen von Stephan Laack, ARD-Studio Moskau