Gazastreifen Israel findet bei Einsätzen Leichen von Geiseln
Der Beginn der Bodenoffensive rückt offenbar näher. Israels Armee hat erste Einsätze im Gazastreifen gestartet und dabei die Leichen von Geiseln gefunden. Zehntausende Palästinenser sind auf der Flucht in den Süden des Gazastreifens.
Die israelische Armee hat bei ersten Einsätzen im Gazastreifen die Leichen von vermissten Landsleuten gefunden. Wie die "Jerusalem Post" am frühen Morgen berichtete, sollen die Leichen am Vorabend während eines Vorstoßes der 7. Brigade im Gazastreifen entdeckt worden sein. Angaben zur Anzahl der Toten gab es nicht.
Nach Angaben des militärischen Arms der Hamas sollen 13 der rund 150 aus Israel verschleppten Geiseln bei den israelischen Luftangriffen getötet worden sein. Darunter seien auch ausländische Staatsangehörige, behaupteten die Al-Kassam-Brigaden. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee wollte dem Bericht nach eigenen Angaben nachgehen.
Erster Einsatz von Bodentruppen im Gazastreifen
Das israelische Militär erklärte unterdessen, dass Bodentruppen in den vergangenen 24 Stunden "örtlich begrenzte" Einsätze im Gazastreifen ausgeführt hätten. Boden- und Panzertruppen hätten nach Spuren gesucht und "Terror-Infrastruktur zerstört sowie Terrorzellen ausgeschaltet". Laut einem israelischen Armeesprecher sei das Ziel dieser Einsätze, "das Gebiet von Terroristen und Waffen zu säubern" und vermisste Menschen zu finden.
Es ist das erste Mal seit dem terroristischen Großangriff der im Gazastreifen regierenden Terrororganisation Hamas auf Israel, dass das Militär vermeldete, dass israelische Bodentruppen im Gazastreifen tätig wurden.
Aber auch die Luftangriffe gehen weiter. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben einen wichtigen Kommandeur der radikalislamischen Hamas getötet. Die Luftwaffe habe während der vergangenen 24 Stunden Kommandozentralen der Palästinenserorganisation im Gazastreifen bombardiert und dabei den Chef der "Luftaktivitäten" der Hamas, Murad Abu Murad, getötet, teilte die Armee am Samstag mit. Sie bezeichnete Murad als einen der Hauptverantwortlichen für die "tödliche Offensive" der Hamas gegen Israel.
Netanyahu: Erst der Anfang der Offensive
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bezeichnete die derzeitigen Gegenangriffe im Gazastreifen nach dem Hamas-Terror mit Hunderten getöteten Israelis nur als "Anfang" der Offensive gegen die militanten Islamisten. "Wir werden die Hamas zerstören und gewinnen, aber es wird Zeit brauchen", sagte er am Freitagabend in einer Ansprache an die Nation. "Unsere Feinde haben gerade erst begonnen, den Preis zu zahlen. Ich werde unsere Pläne nicht näher erläutern, aber ich sage Ihnen, das ist erst der Anfang." Das jüdische Volk habe seit Jahrzehnten nicht mehr solche Schrecken erlebt, so Netanyahu.
Zehntausende auf der Flucht
Im Gazastreifen herrscht angesichts einer drohenden Bodenoffensive der Israelis gegen die islamistische Hamas Angst und Verzweiflung unter der palästinensischen Bevölkerung. Menschen in Autos machten sich auf Lastwagen, mit Eselskarren und zu Fuß auf der einzigen Hauptstraße des Gebiets Richtung Süden auf.
Das israelische Militär sicherte den Einwohnern des nördlichen Gazastreifens auch am Samstag wieder einen Zeitraum ohne Angriffe zu, um sich in den Süden der Küstenenklave zu begeben. Zwischen 10.00 und 16.00 Uhr Ortszeit (09.00 bis 15.00 Uhr MESZ) sollen die Bewohner von Beit Hanun auf einer eingezeichneten Fluchtroute nach Chan Junis gehen, wie ein Sprecher der Armee in arabischer Sprache auf der Plattform X (früher Twitter) mitteilte. Dort sei in den angegeben Stunden Bewegung "ohne Schaden" möglich.
Die im Gazastreifen herrschende Hamas versuchte, fliehende Zivilisten davon abzuhalten, dem israelischen Aufruf zur Räumung des Nordens zu folgen. Sie sollten nicht auf die "Propagandanachrichten" reinfallen, hieß es. Laut Hamas-Angaben sollen Luftangriffe der israelischen Streitkräfte 70 Menschen auf der Flucht in den Süden des Gazastreifens getötet und 200 weitere verletzt haben. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Vom israelischen Militär gab es keine Bestätigung.
UN-Sprecher warnt vor "katastrophaler Situation"
An Israels Aufforderung zur Massenevakuierung gibt es viel Kritik. Die Vereinten Nationen forderten Israel bereits am Freitag auf, die Anweisung zu widerrufen. Es drohe eine "katastrophale Situation". Auch aus Saudi-Arabien und Ägypten gab es scharfe Kritik. UN-Generalsekretär António Guterres forderte zudem sofortigen Zugang zum Gazastreifen für humanitäre Hilfe. "Auch Kriege haben Regeln", betonte er am Freitag in New York.
Nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) wurden durch israelische Angriffe auf den Gazastreifen mehr als 1300 Gebäude komplett zerstört. Davon betroffen seien 5540 Wohneinheiten. Rund 3750 weitere Häuser seien so stark beschädigt worden, dass sie vorerst unbewohnbar seien.