Krieg in Nahost "Noch nie so etwas in Gaza gesehen"
Israels Premierminister Netanyahu hat die Forderung von Hilfsorganisationen, Treibstoff in den Gazastreifen zu lassen, erneut abgelehnt. Der Chef des UN-Hilfswerks UNRWA spricht von einer beispiellosen Lage im Gazastreifen.
Vor einer Gesundheitskatastrophe warnen das UN-Hilfswerk für Palästinenser UNRWA sowie das palästinensische Gesundheitsministerium der Autonomiebehörde in Ramallah.
In der am Nachmittag verbreiteten Mitteilung des unter Palästinenser-Präsident Abbas stehenden Gesundheitsministeriums im besetzten Westjordanlands hieß es, die hohe Anzahl der Binnenvertriebenen im Gazastreifen, die Überfüllung von Zufluchtsorten wie Schulen und Krankenhäusern, zerstörte Wasser- und Abwasseranlagen hätten zu "Tausenden von Fällen von Atemwegs- und Durchfallerkrankungen" geführt.
"Kinder betteln um Brot"
Der Chef des Hilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, konnte gestern erstmals seit dem verheerenden Hamas-Angriff auf Israel den Süden des Gazastreifens besuchen, darunter auch eine Schule, in der sich überwiegend Kinder aufhalten. Kinder hätten ihn um einem Schluck Wasser und ein Stück Brot gebeten, so Lazzarini. "So etwas habe ich in Gaza noch nie gesehen, wenn ich nach einem Konflikt dort war".
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Autonomiebehörde von Palästinenser-Präsident Abbas sind seit dem Hamas-Großangriff vom 7. Oktober bis heute Vormittag 9.025 Menschen im Gazastreifen und 134 Menschen im besetzten Westjordanland getötet worden.
Weiterhin kein Treibstoff für den Gazastreifen
Israels Generalstabschef Herzi Halevi sagte am Nachmittag, die Luftwaffe handele im Gazastreifen mit "größter Genauigkeit". Fehler seien nicht erlaubt. Es bleibe bei der Entscheidung, wonach Treibstoff nicht nach Gaza eingeführt werde. Seit einer Woche, so Halevi, würde es heißen, der Treibstoff ginge aus, doch - so wörtlich - "sie haben noch immer Treibstoff." Es werde erst geliefert, wenn es notwendig sei und sichergestellt sei, dass "die Hamas nicht an den Treibstoff kommt."
Das Büro von Premierminister Netanyahu teilte am späten Nachmittag in einer einzeiligen Erklärung mit: "Der Premierminister hat die Einfuhr von Treibstoff in den Gazastreifen nicht genehmigt." Die UN und zahlreiche Hilfsorganisation drängen auf eine Freigabe von Treibstoff, um die noch funktionsfähigen Krankenhäuser sowie Rettungsdienste aufrechterhalten zu können.
Mit Blick auf das militärische Vorrücken der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen sagte der Generalstabschef, die Armee belagere die Stadt Gaza, und die Truppen befänden sich innerhalb der Stadt an sehr wichtigen Orten. "Sie befinden sich in den zentralen Einrichtungen der Hamas und sind dort tätig. Sie zerstören unterirdische und oberirdische Infrastruktur", sagte Halevi.
Weitere Menschen können Gazastreifen verlassen
Unterdessen konnten nach Angaben der Grenzbehörden in Rafah weitere rund 400 Ausländer sowie 60 palästinensische Patienten den Gazastreifen verlassen. Mit ihrem US-Pass konnte auch das junge Mädchen Shams Shaat das Kriegsgebiet verlassen.
Wir wurden aus unseren Häusern vertrieben. Die Lage in Gaza ist schwierig, in ganz Palästina. Das, was im Fernsehen ausgestrahlt wird, ist nur fünf Prozent dessen, was wir in Wirklichkeit durchmachen. Wir haben Menschen gesehen, die vertrieben wurden, Kinder, die ihre Eltern verloren haben, verbrannte und enthauptete Leichen.
Am späten Nachmittag setzte sowohl aus dem Gazastreifen als auch aus dem Südlibanon erheblicher Raketenbeschuss ein.