Chan Yunis In Schutt und Asche
Israel hat den Kampf gegen die Hamas auf den ganzen Gazastreifen ausgeweitet. Besonders im Süden mit der Großstadt Chan Yunis ist das Ausmaß der Zerstörung offenbar beträchtlich.
Es ist Freitagvormittag in Chan Yunis - die Großstadt im Süden des Gazastreifens. Anwohner eines Wohnblocks sind dabei, inmitten von Trümmern noch einige noch brauchbare Gegenstände zu retten. Die Außenwände existieren nicht mehr. Mit einer Leiter klettern junge Männer in den zweiten Stock, um Kissen und Decken aus einem Wohnzimmer zu bergen.
Hier, in dem Gebäude, habe er noch bis vor wenigen Stunden mit seiner Familie gelebt, sagt der 65-jährige Younis Al Hala-bi der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir saßen. Die Kinder schliefen unten aus Angst. Es war nach dem Morgengebet. Wir sahen nichts, wir hörten den Beschuss, aber wir dachten nicht, dass er hier war. Dann sahen wir nach und alles fiel auf uns." Das sei kein Leben. "Tod oder Zerstörung, es ist alles dasselbe, alles dasselbe. Diejenigen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, könnten genauso gut tot sein."
Satellitenbilder zeigen die Zerstörungen
Regelmäßig veröffentlichen zwei US-Geographie-Professoren aus New York und Oregon Satellitenkarten des Gazastreifens, die inzwischen als weitgehend verlässlicher Maßstab der zerstörten und beschädigten Wohngebiete im Kriegsgebiet gelten. Die beiden Wissenschaftler werten seit dem 12. Oktober die Aufnahmen des Copernicus Sentinel 1 Satelliten aus.
Die jüngste Auswertung stammt vom 4. Dezember. Demnach sind wahrscheinlich rund ein Drittel aller Gebäude im gesamten Gazastreifen beschädigt oder zerstört. Im nördlichen Gazastreifen seien die Hälfte bis zwei Drittel der Gebäude betroffen.
Ihren Schätzungen zufolge geschieht die Zerstörung in diesem Ausmaß nun auch im Süden des Gazastreifens. Auf dem Kurznachrichtendienst X melden die Wissenschaftler: Chan Yunis habe in der Zeit vom 29. November bis 4. Dezember wahrscheinlich genauso viel Schaden erlitten wie der Norden des Gazastreifens. Dies sei ein Zeichen dafür, dass sich der Krieg nach Süden verlagert habe.
Israel: Hamas nutzt Menschen als Schutzschilde
Eylon Levy, Sprecher der israelischen Regierung hält dagegen: Es liege an der Hamas und deren Guerilla-Taktik, die im gesamten Gazastreifen zivile Einrichtungen für ihre Zwecke missbraucht hätten. Dafür fänden die Soldaten jeden Tag aufs Neue Beweise. "Die israelischen Streitkräfte decken weiterhin Verbrechen der Hamas gegen die Menschlichkeit auf", sagt er. Die Terrororganisation richte sich in zivilen Gebieten ein und verschanze sich hinter menschlichen Schutzschilden.
Das UN-Hilfswerk für die Palästinenser, UNWRA, beziffert die Anzahl der sogenannten Binnenflüchtlinge auf schätzungsweise "fast 1,9 Millionen Menschen." Das entspreche 85 Prozent der Gesamtbevölkerung des Gazastreifens. Den UN-Angaben zufolge sind über 60 Prozent der Gebäude im gesamten Küstenstreifen zerstört oder beschädigt.
Rückkehr fraglich
Ob und unter welchen Umständen die Menschen in ihre heimatlichen Regionen, in ihre Stadtviertel und Wohnungen zurückkehren können, scheint angesichts der Zerstörungen der Gebäude äußerst fraglich. In Chan Yunis steht der 65-jährige Younis Al-Halabi vor den Ruinen seines Wohnhauses: "Aus dem Nichts sah ich, wie alles auf unsere Köpfe fiel. Ich schwöre, für mich sind Zerstörung und Tod eins." Es brauche auch Ruhe und Sicherheit.
"Wir wohnten allein und hatten mit niemandem zu tun. Alle unsere Nachbarn können bezeugen, dass wir uns in die Angelegenheiten von niemandem eingemischt haben. Wir waren ganz allein - respektvolle und vertrauenswürdige Menschen."