Getreidefrachter aus Ukraine Das Rätsel um die "Razoni"
Eigentlich hätte der erste Getreidefrachter aus der Ukraine am Morgen im Libanon eintreffen sollen. Doch nun liegt die "Razoni" vor der türkischen Küste vor Anker. Über die Gründe besteht Unklarheit.
Wann und ob die "Razoni" ihre Fahrt in Richtung Libanon fortsetzen wird, das scheint aktuell niemand zu wissen. Man warte auf Informationen, sagte der ukrainische Botschafter Ihor Ustasch in Tripoli dem ARD-Studio Kairo. "Politisch war es eine klare Entscheidung: Der erste Frachter aus Odessa soll im Libanon einlaufen. Doch es gibt auch noch andere Akteure - wirtschaftliche Akteure, die ihre Verhandlungen erst noch abschließen müssen. Ich hoffe, man findet bald eine Einigung."
Das Schiff steht derzeit im Rampenlicht der Berichterstattung. Denn die "Razoni" war der erste Frachter, der nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine, den Hafen von Odessa verlassen konnte. "Unsere politische Entscheidung ist immer noch in Kraft, wir wollen dem Libanon helfen", sagte Botschafter Ustasch. "Und aktuell warten noch etwa 20 weitere Schiffe auf die Genehmigung, in Odessa ablegen zu können und die Häfen der Region anzusteuern."
Weizen im Libanon auf dem Schwarzmarkt
Doch nicht nur politisch ist die Lieferung von Bedeutung - der Libanon braucht dringend wirtschaftliche Unterstützung. In dem Land herrscht eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. Nahrungsmittel haben sich in den vergangen drei Jahren deutlich verteuert. Und der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass Weizen im Libanon oft nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen ist. Die Versorgungsengpässe haben Bäckereien im Land immer wieder dazu gezwungen, ihre Arbeit für einige Tage einzustellen.
"Die Ukraine versucht, eine Hungerkrise im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern", sagte Ustasch. "Zur Not machen wir das auch auf alternativen Routen."
Wer hat den Mais an Bord gekauft?
Doch trotz der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Frachters, scheinen hinter den Kulissen einige Dinge ungeklärt geblieben zu sein. So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass die libanesischen Ministerien für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft keine Informationen darüber hätten, wer den Mais an Bord der "Razoni" eigentlich gekauft hätte.
"Ich kann nur bestätigen, dass immer noch Verhandlungen stattfinden", so der ukrainische Botschafter auf die Frage, wo es denn aktuell eigentlich hakt. Bis auf Weiteres bleibt also unklar, wann und ob die "Razoni" ihre Reise Richtung Libanon fortsetzen wird.
Vier weitere Getreidefrachter haben heute aus ukrainischen Häfen abgelegt. Die unter anderem mit Sonnenblumenöl und Mais beladenen Schiffe mit den Zielen China, Türkei und Italien seien auf dem Weg nach Istanbul, um dort kontrolliert zu werden, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow erklärte, die Frachter "Mustafa Necati", "Star Helena", "Glory" und "Riva Wind" hätten zusammen fast 170.000 Tonnen geladen.
Insgesamt haben damit seit Abschluss des Getreide-Abkommens acht Frachter aus der Ukraine abgelegt: Die "Razoni" war das erste Schiff und legte allein ab. Am Samstag stach ein Konvoi aus drei Schiffen in See. Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges zuvor monatelang blockiert. Die Kriegsgegner Ukraine und Russland unterzeichneten am 22. Juli unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen.