Hisbollah-Miliz im Libanon "Wenn der Feind Krieg will, sind wir bereit"
Ali ist Kämpfer der Hisbollah. In Beirut wartet der Familienvater darauf, gegen Israel in den Krieg zu ziehen. Was treibt ihn und die Schiitenmiliz an? Ein Treffen in der Hauptstadt des Libanon.
Ali wartet auf den Krieg. Er raucht und starrt ins Leere. Er trägt einen langen schwarzen Bart, ein olivgrünes Basecap, die Ärmel des schwarzen Hemdes hochgekrempelt - darunter die Tätowierung auf seinem Unterarm: ein großes gebogenes Schwert mit zwei Klingen, umgeben von arabischer Schrift. Das Schwert von Imam Ali, sagt er. Der erste Imam und Heiliger der Schiiten.
Ali ist Hisbollah-Kämpfer. Er ist für die schiitische Miliz in Syrien in den Krieg gezogen, hat gelernt, wie man mit Waffen umgeht. Jetzt lebt der 40-jährige Familienvater im Süden Beiruts, in einem der ärmlichen Viertel, die von der Hisbollah kontrolliert werden und wartet, was passiert. Darauf, dass er gebraucht wird, wie er sagt.
Hisbollah-Kämpfer Ali behauptet, er will Frieden. Trotzdem ist er bereit für den Krieg.
Der Versuch, zu verstehen
Wir treffen uns in einem dieser Beiruter Straßencafés, in dem sich die Backstein-Imitat-Tapete langsam von der Wand rollt und die Plastikblumen auf dem wackligen Tisch im Neonlicht versuchen, die Illusion von Gemütlichkeit zu wahren. Hier sitzt Ali, so nennt er sich.
"Wir wollen keinen Krieg. Wir wollen Frieden", behauptet Ali. "Aber wenn der Feind Krieg will, sind wir bereit. Der Rest der Welt mag uns nicht, sagt, wir sind Terroristen."
"Alle haben Angst vor dem Tod"
Ist es richtig, sich mit jemandem zu treffen, der von großen Teilen der westlichen Welt als Terrorist betrachtet wird? Ja, vielleicht, wenn es darum geht, zu versuchen zu verstehen, wie die Hisbollah denkt, warum ihre Anhänger in diesen Krieg ziehen wollen, den sie oft als "heilig" bezeichnen. Wie hasserfüllt die sind, die eigentlich sagen, dass sie Frieden wollen. So auch Ali.
Er ist Vater von drei kleinen Kindern. Sein Sohn ist erst zwei Jahre alt. Und der Vater sagt Sätze wie: "Jetzt kann ich sterben, weil ich einen Sohn habe." Als Märtyrer. Will er in einem Krieg sterben? "Alle haben Angst vor dem Tod", sagt er.
Im Libanon ist ein Staat im Staat entstanden
Die Hisbollah hat im Libanon weitreichende Macht - ein Staat im Staate ist entstanden, der aktuell ein ganzes Land in Geiselhaft nimmt.
"Hisbollah ist für mich eine Terrororganisation, die den Staat Libanon übernommen hat", sagt Monika Borgmann. Die Deutsche lebt seit Jahren im Libanon, sie war mit dem bekannten Filmemacher Lokman Slim verheiratet, der 2021 ermordet wurde, allen Indizien nach von der Hisbollah.
Seitdem will Borgmann nicht aufhören, zu mahnen: "Hisbollah hat hier das Sagen. Hisbollah entscheidet über Krieg und Frieden. Hisbollah hat die unilaterale Entscheidung getroffen, Libanon nach dem Massaker der Hamas am 7.Oktober in den Krieg mithineinzuziehen. Alle haben heute Angst."
Militärisch gut gerüstet dank Iran
Gegründet wurde die Miliz vor mehr als 40 Jahren. Damals verstand sie sich als schiitische Gegenbewegung zu den starken christlich-maronitischen, sunnitischen und drusischen Mächten im Land während des langjährigen Bürgerkriegs. Seitdem hat die schiitische Hisbollah drastisch an Stärke gewonnen - der politische und der militärische Arm.
Die Hisbollah hat ein weitverzweigtes Sozialsystem, das die Anhänger versorgt - und ist militärisch gut gerüstet, vor allem durch seinen engsten Verbündeten und Förderer: den Iran. Er hat die Hisbollah mit Waffen versorgt, sie aufgerüstet und gilt als Strippenzieher hinter den Entscheidungen der Hisbollah.
Die Hisbollah ist wichtigster Teil von Irans sogenannter Achse des Widerstands gegen Israel, zu der auch schiitische Milizen im Irak und in Syrien zählen, ebenso wie die Huthi im Jemen und eben die Hamas.
Viele Libanesen wollen keinen Krieg
"Hisbollahs Bedeutung geht weit über den Libanon hinaus, Syrien, Irak, Jemen," sagt Politikwissenschaftler Yeghia Tashjian von der American University Beirut. "Eine Organisation parallel zum Staat, die ausbalancieren muss zwischen einem militärischen Teil und einem realpolitischen, der den Rückhalt in der Bevölkerung nicht verlieren will. Die aktuelle Situation ist wie ein Vulkan, der brodelt und wir wissen nicht, wann er explodiert."
Seit Ende Juli Hisbollah-Kommandeur Fuad Shukr und Hamas-Chef Hanija getötet wurden, rechnet Israel mit einem massiven Vergeltungsschlag der Hisbollah und des Irans. Täglich kommt es zu größeren und kleineren Gefechten im Grenzgebiet, zu Drohnen- und Raketenangriffen auf beiden Seiten.
Der Kämpfer will von Kritik nichts wissen
Keiner weiß, wann es mehr wird, wann und ob dieser Krieg größer wird, den viele im Libanon nicht wollen. Aber die Hisbollah sei einfach zu einflussreich, sagt auch der libanesische Journalist Assaad Bechara. Er fürchtet, wie viele seiner Kollegen, um die Freiheit als Berichterstatter, denn die Hisbollah verbreitet ein Klima der Angst.
"Hisbollah ist für viele im Land ein Agent des Iran, eine Krankheit im libanesischen Körper. Hisbollah zerstört die Möglichkeit, aus dem Libanon einen funktionierenden Staat zu machen", sagt Bechara.
Ali, der Hisbollah-Kämpfer, will von Kritik nichts wissen. Auf die Frage, wie es ihm gehe mit Blick auf die drohende Eskalation, dem Krieg, der sich im Libanon ausweiten könnte, sagt er nur drei Worte - er spricht leise und langsam, wählt sie mit Bedacht: "Traurig, glücklich, nervös."
Libanons Hauptstadt Beirut: Die Hisbollah hat hier großen Einfluss.
Die Absurdität des Krieges
Traurig, weil Kinder in Gaza sterben, glücklich weil die Hisbollah Widerstand leiste, nervös weil er nicht wisse, was kommt, wie groß es werde.
Es ist die Absurdität des Krieges, dass die, die schießen, behaupten, sie seien für den Frieden. Auf die Frage, warum er noch nicht im Süden mitkämpfe, zuckt Ali mit den Schultern. Noch sei ja kein richtiger Krieg, sagt er, es gebe genug Kämpfer da unten. Aber wenn es richtig losgehen sollte - er stehe bereit.