Nach Tiefstand 2020 Geringe Wahlbeteiligung im Iran zeichnet sich ab
Schon 2020 lag die Wahlbeteiligung im Iran historisch niedrig. Nun wird ein neuer Tiefstand erwartet, womöglich von nur rund 41 Prozent. Ersten Ergebnissen zufolge liegen Erzkonservative in Führung - zumindest in Teheran.
Trotz einer vierstündigen Verlängerung zeichnet sich eine erwartungsgemäß niedrige Beteiligung an den Wahlen im Iran ab. Sie liegt einem ersten Bericht zufolge bei etwa 41 Prozent. Wie die regierungsnahe Nachrichtenagentur Fars in der Nacht (Ortszeit) berichtete, gaben rund 25 von 61 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.
Es wäre die erneut niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik - nach 42,6 Prozent bei der Parlamentswahl 2020, dem niedrigsten Stand seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979.
Teheran: Erzkonservative führen, Beteiligung besonders niedrig
Ersten Teilergebnissen zufolge liegt in der iranischen Hauptstadt offenbar ein Bündnis erzkonservativer Kandidaten vorn. Die Liste der "Treuhänder" mit dem als Hardliner geltenden Hamid Rasai an der Spitze gewann in Teheran 17 von 30 Sitzen, berichtete der staatliche Rundfunk.
Auch der amtierende Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf, der für eine andere konservative Gruppe angetreten war, sicherte sich den Angaben zufolge ein Mandat. Ähnliche Befunde waren erwartet worden.
Die Nachrichtenagentur AP meldet unter Berufung auf staatliche Medien, Hardliner lägen bei den Parlamentswahlen insgesamt vorn. Laut der Nachrichtenagentur Mehr lag die Wahlbeteiligung in Teheran nach inoffiziellen Ergebnissen bei nur 24 Prozent.
Teheran im Februar: Ein Wahlplakat zeigt Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf.
Kritische Kandidaten ausgeschlossen
Die landesweit fast 60.000 Wahllokale waren von 8 Uhr bis Mitternacht Ortszeit (5.30 bis 21.30 Uhr MEZ) geöffnet. Staatsmedien zufolge sind die Schulen heute, zu Beginn der iranischen Woche, wegen der Verzögerung der Wahlen geschlossen.
Die Wahlberechtigten waren aufgerufen, ein neues Parlament (Madschles) und den Expertenrat, ein einflussreiches Gremium islamischer Geistlicher, zu wählen. Zahlreiche kritische Kandidaten wurden vor den Wahlen durch den sogenannten Wächterrat ausgeschlossen. Die Bevölkerung gilt als von gescheiterten Reformversuchen desillusioniert. Viele Menschen wollten nicht wählen gehen.
ARD-Korrespondentin Katharina Willinger schilderte in den tagesthemen ihren Eindruck, wonach "sehr wenig junge Leute" zur Wahl gegangen seien - ein Umstand, der bereits erwartet wurde. Auch lange Schlangen habe es nicht gegeben, so Willinger - anders als bei der vorangegangen Abstimmung 2020. Innerhalb der Wahllokale hätten sie und ihr Team am Anfang des Tages zudem keine Aufnahmen machen dürfen.
"Augen von Freunden und Feinden auf die Ergebnisse gerichtet"
Während im Exil lebende Oppositionelle zum Boykott aufgerufen hatten, erklärte Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei die Stimmabgabe zur religiösen Pflicht. "Heute sind die Augen von Irans Freunden und Feinden auf die Ergebnisse gerichtet. Machen sie Freunde glücklich und enttäuschen sie Feinde", hatte er an die Bevölkerung appelliert.
Es waren die ersten Wahlen im Iran seit den Demonstrationen infolge des Todes der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini im Polizeigewahrsam im September 2022. Die Sicherheitskräfte waren bei den monatelangen Protesten unter dem Motto "Frauen, Leben, Freiheit" massiv gegen die Demonstranten vorgegangen. Mehrere Hundert Menschen wurden getötet, Tausende verhaftet.