Krankenwagen in Chan Yunis im Gazastreifen

Krieg im Nahen Osten Schwere israelische Angriffe auf Gazastreifen

Stand: 18.03.2025 11:20 Uhr

Bei israelischen Angriffen auf Stellungen der Hamas sind im Gazastreifen laut palästinensischen Angaben mehr als 400 Menschen getötet worden. Die Angriffe fanden offenbar in Absprache mit den USA statt.

Israels Armee hat rund zwei Monate nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen wieder massive Angriffe auf die militant-islamistische Terrororganisation Hamas in dem Küstengebiet aufgenommen.

Bei den massiven Angriffen wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums mindestens 404 Menschen getötet und Hunderte verletzt. Noch sei die Lage unübersichtlich, viele Opfer befinden sich demnach noch unter den Trümmern.

Die Angriffe erfolgten offenbar an mehreren Orten gleichzeitig, darunter im nördlichen Gazastreifen, in Gaza-Stadt sowie in Deir al-Balah, Chan Yunis und Rafah im zentralen und südlichen Gazastreifen.

Offenbar Hamas-Funktionäre getötet

Hamas-Insidern zufolge wurde auch der ranghohe Funktionär der Organisation, Mohammed al-Dschmasi, getötet. Auch Familienangehörige Dschmasis, der dem Politbüro der Hamas angehörte, seien ums Leben gekommen.

Unter den Toten seien Dschmasis Enkelkinder, die sich in seinem Haus in Gaza-Stadt aufgehalten hätten, berichten Hamas-Insider und Angehörige. Auch der Leiter des von der Palästinenserorganisation geführten Innenministeriums wurde offenbar getötet. General Mahmud Abu Watfa starb bei einem Angriff auf die Stadt Gaza, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Hamas-Kreise. Unabhängig bestätigt wurden die Informationen bislang nicht.

Israels Militär greift Ziele im Gazastreifen an

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, tagesschau, 18.03.2025 14:00 Uhr

Katz: "Werden nicht aufhören, zu kämpfen"

Das israelische Militär sprach von "umfangreichen Angriffen auf Stellungen der Hamas". Laut einem Militärsprecher galten die Angriffe Hamas-Kommandanten der mittleren Führungsebene sowie der Infrastruktur.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu teilte in einer Erklärung mit, er habe das Militär angewiesen, die Hamas im Gazastreifen wieder anzugreifen. Die Angriffe seien eine Reaktion auf die "wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen, sowie auf ihre Ablehnung aller Vorschläge, die sie vom Gesandten des US-Präsidenten Steve Witkoff und von den Vermittlern erhalten hat", hieß es in der Mitteilung.

"Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, bis nicht alle Geiseln nach Hause zurückgekehrt und alle unsere Kriegsziele erreicht sind", erklärte auch Verteidigungsminister Israel Katz.

Die Armee rief Bewohner des Gazastreifens auf, Grenzgebiete zu meiden. Besonders einige Stadtteile von Chan Yunis im Süden sowie Beit Hanun im Norden des Küstenstreifens, die nahe der Grenze zu Israel liegen, seien betroffen. "Diese Gebiete sind gefährliche Kampfgebiete", hieß es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf. Die Menschen sollen sich demnach zu ihrer eigenen Sicherheit in den Westen der Stadt Gaza sowie in den Westen der Stadt Chan Yunis begeben. Die Zeitung Times of Israel mutmaßte, dies könne auf die Absicht der Armee hindeuten, ihre Offensive auszuweiten.

Israel informierte USA über die Angriffe

Ein Sprecher der US-Regierung erklärte, dass Israel die USA vor den neuen Angriffen auf den Gazastreifen konsultiert habe. Dies bestätigte er in einer Sendung des US-Senders Fox News.

Ein Vertreter der Hamas erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass Israel mit den jüngsten Angriffen im Gazastreifen das Waffenruheabkommen einseitig beendet habe.

Angehörige: Regierung hat Geiseln aufgegeben

Angehörige der israelischen Geiseln, die sich in den Händen der Hamas befinden, reagierten entsetzt auf die massiven Angriffe. "Wir sind schockiert, wütend und entsetzt über die bewusste Demontage des Prozesses zur Rückkehr unserer Angehörigen aus der schrecklichen Gefangenschaft der Hamas", schrieb das Forum der Geisel-Familien auf der Plattform X. Militärischer Druck gefährde die Geiseln.

Die Gruppe fragte die Regierung, warum sie aus der Vereinbarung mit der militant-islamistischen Hamas ausgestiegen sei, die die Freilassung aller lebenden Geiseln im Austausch für ein Ende des Krieges vorsah. Der Schritt zeige, dass die Regierung die Geiseln aufgegeben habe.

Noch keine Einigung auf Verlängerung der Waffenruhe

Im Januar war zwischen Israel und der Hamas eine zunächst sechswöchige Waffenruhe vereinbart worden. Bisher konnten sich beide Seiten nicht auf die Konditionen für eine Verlängerung einigen.

Israel hatte mit einer Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren israelischen Geiseln freilassen. Auch während der Waffenruhe war es immer wieder zu tödlichen Angriffen im Gazastreifen gekommen.

Julio Segador, ARD Tel Aviv, tagesschau, 18.03.2025 06:29 Uhr