Fotos israelischer Geiseln sind auf eine Wand in Nir Oz, Israel gepinnt.
Reportage

Familien von getöteten Hamas-Geiseln Wenn die Trauer kein Ende nimmt

Stand: 27.02.2025 12:43 Uhr

Um ihre Trauer zu verarbeiten, ist für die Familien der Geiseln die Übergabe der Leichen aus Gaza wichtig. Doch noch immer sind viele - auch tote - Geiseln in der Hand der Hamas. Wie gehen die Angehörigen damit um?

Blätter knistern unter den Füßen. Sonst herrscht gespenstische Stille im Kibbuz Nir Oz, wenige hundert Meter von Gaza entfernt. Das vertrocknete Laub bedeckt den Boden - wie eine Wunde, die nach 16 Monaten nicht verheilt ist. Nach dem Überfall von Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023.

In der Kibbuz-Kantine stehen zwei Esstische. Auf den leeren Plätzen liegen rote und schwarze Bilder von 75 Bewohnern und Opfern des Angriffs.

Yuval Bitton betrachtet sie: "Zangauker lebt noch, die Cunio-Brüder leben, entführt, Eitan Horn entführt, Sagui Dekel Chen - er war eine Geisel. Atzili entführt. Einer von vier Bewohnern von Nir Oz wurde entführt oder getötet."

Fotos der Familie Bibas liegen auf einem Tisch in Nir Oz, Israel.

Fotos der Familie Bibas liegen auf einem Esstisch in der Kibbuz-Kantine.

Schiri Bibas - eine Freundin der Familie

Yuvals Familie erlebte den Angriff im Kibbuz mit. Er bleibt vor dem Bild von Schiri Bibas stehen. Sie war eine Freundin und Nachbarin der Familie. Auch sie wurde mit ihren Kindern aus Nir Oz entführt, von Terroristen getötet und nun in Israel begraben.

"Schwarz heißt entführt, rot ermordet. Die Bilder von denen, die zurückkommen, legen wir von einem Tisch auf den anderen. Das ist Tamir. Er ist tot." Tamir Adar war Yuval Bittons Neffe. Seine Leiche ist noch in Gaza. Deshalb könne die Familie keine Ruhe finden. Yuval zeigt auf das Bild eines lächelnden Mannes, 38 Jahre alt:

Tamir war einer der Ersten, der sich den Terroristen mit seiner Waffe stellte. Er ist einer der Letzten in Gaza. Wir machen uns Sorgen, dass die Verhandlungen, die auch die Toten zurückbringen sollen, nicht weitergehen. Tamir hat Nir Oz als Familie betrachtet. Er wollte alle schützen, nicht nur seine Familie. So war Tamir und er war ein guter Vater.
Yuval Bitton
Yuval Bitton

Yuval Bitton trauert um seinen Neffen Tamir.

Kinder fragen nach ihrem Vater

Seine zwei Kinder, Tamirs Frau, seine Mutter und Großmutter Yaffa Adar, die entführt und freigelassen wurde, und auch sein Onkel Yuval hatten anfangs gehofft, Tamir sei am Leben.

"Er liebte seine Kinder. Sie fragen nach ihm. Wo ist unser Vater? Als wir ihnen sagten, dass er ein Held ist, hat sein Sohn gesagt: Ich will meinen Vater, ich will keinen Helden in Gaza. Er ist erst acht Jahre alt."

Yuval zeigt auf eine Mauer in der Mitte des Kibbuz und deutet auf Einschusslöcher im Beton: "Hier haben sie Tamirs Freund Atzili in den Kopf geschossen, er starb sofort. Tamir und Atzili kämpften gegen Hunderte Terroristen. Hier wurde Tamir angeschossen, blutete eine Stunde, dann haben sie ihn nach Gaza entführt, da war er noch am Leben. Dort haben sie ihn gelyncht. Da war so viel Hass."

Zerstörtes Haus der getöteten Familie Simantov in Nir Oz, Israel

Bis heute sind die Schäden zu sehen, die die Hamas-Terroristen in Nir Oz angerichtet haben.

Zerstörte Häuser und Einschusslöcher

Yuval öffnet die Tür zu Tamirs Haus, wenige Schritte entfernt. Es ist stark beschädigt wie die meisten Häuser in Nir Oz, verkohlte Mauern, Fetzen hängen vom Dach.

Es sei für ihn schwierig hierherzukommen. Yuval zeigt auf Einschusslöcher von Kalaschnikows, auch in die Bunkertür haben die Terroristen geschossen. "Das ist der Bunker. Ein Riegel innen an der Tür hat Tamirs Familie gerettet. Weil die Terroristen die Nachbarwohnung angezündet haben, wären sie aber fast hier drinnen erstickt. Die Armee konnte sie in letzter Minute retten."

Doch die ist erst gekommen, als die Terroristen weg waren, betont Yuval. Nir Oz sei dem Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen. Er ist sich sicher, dass Tamir einige Bewohner retten konnte, weil er Widerstand leistete.

Das sei aber nur ein schwacher Trost für die Familie, sagt Yuval zum Schluss: "Für uns ist es wichtig, dass sich der Kreis schließt. Dass wir Tamir nach Hause bringen, um ihn hier in seinem Kibbuz zu begraben. Damit seine Kinder, seine Frau und meine Schwester einen Ort haben, an dem sie ihn um Vergebung bitten können, dass sie es nicht geschafft haben, dass er lebend zurückkommt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Februar 2025 um 12:49 Uhr.