Justizreform in der Knesset Draußen Protest, drinnen Zustimmung
Blockierte Straßen, Verletzte, Festnahmen: In Israel werden die Proteste gegen die Justizreform heftiger. Trotzdem hat die Regierungsmehrheit sie in der Knesset vorangebracht - die Opposition boykottierte die Abstimmungen.
Begleitet von immer heftigeren Protesten im Land hat die von Israels rechtsreligiöser Regierung geplante Justizreform weitere Hürden genommen. Kritiker werfen Regierungschef Benjamin Netanyahu vor, mit dem Projekt die demokratische Gewaltenteilung zu untergraben.
Der zuständige Parlamentsausschuss billigte jedoch ohne Gegenstimmen die sogenannte Außerkraftsetzungsklausel. Sie würde es dem Parlament ermöglichen, Gesetze zu erlassen, die gegen das Grundgesetz verstoßen. Eine einfache Mehrheit von 61 Parlamentariern könnte Entscheidungen des obersten israelischen Gerichts überstimmen. Die Opposition boykottierte diese und weitere Abstimmungen.
Der Entwurf enthält zudem einen Passus, der für die Aufhebung verfassungswidriger Gesetze die Zustimmung von zwölf der 15 Richter des obersten Gerichts fordert. Ein ursprünglicher Entwurf hatte die Einstimmigkeit aller 15 Richter gefordert. Der Entwurf kann nun dem Parlamentsplenum vorgelegt werden. Die Opposition boykottierte die Abstimmung in dem Ausschuss.
Das Parlament stimmte zudem in Vorablesung mit großen Mehrheiten für die Einführung der Todesstrafe für Terroristen und einen Gesetzentwurf, der verhindern soll, dass der Generalstaatsanwalt oder der Oberste Gerichtshof den Ministerpräsidenten zwangsweise beurlaubt. Der Entwurf sieht vor, dass ein Ministerpräsident nur auf zwei Weisen seines Amtes enthoben werden kann: wenn er sein Amt niederlegt oder durch einen Mehrheitsbeschluss von drei Vierteln der Kabinettsminister, der von einer Mehrheit von mindestens 90 Parlamentsabgeordneten bestätigt wird.
Blockierte Straße in Tel Aviv: Die Gegner der Reform fürchten um die Gewaltenteilung.
Verletzte und Festnahmen bei heftigen Protesten
Bei den landesweiten Protesten gegen die Justizreform kam es laut israelischen Medienberichten zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei. Die Einsatzkräfte setzten Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstranten und Demonstrantinnen ein, die eine Autobahn in Tel Aviv blockierten. Laut Darstellung der Polizei wurden aus der Menge Steine und Flaschen auf die Beamten geschleudert. Nach Berichten israelischer Medien gab es mehrere Verletzte und mindestens 39 Festnahmen.
An Bahnhöfen in Tel Aviv verhinderten Demonstrierende die Abfahrt von Zügen, indem sie Türen blockierten. Die größten Kundgebungen sind noch für später außerhalb des israelischen Parlaments, der Knesset, und nahe dem Haus Netanyahus geplant.
Der ultranationalistische Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hatte zuvor die Demonstranten als Anarchisten bezeichnet und die Polizei aufgefordert, alle Blockaden aufzulösen. Oppositionsführer Jair Lapid rief die Polizei hingegen zur Zurückhaltung auf. "Die Demonstranten sind Patrioten", schrieb er auf Twitter. "Sie kämpfen für die Rechte Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie."