Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff auf.

Vermittlungen in Nahost Angriffe im Libanon - und Hoffnung auf Waffenruhe

Stand: 31.10.2024 08:44 Uhr

Während Israel unvermindert den Ostlibanon angreift, bemühen sich die USA um Vermittlung. Aus dem Umfeld von Premier Netanyahu kommen Zeichen der Gesprächsbereitschaft. Die Hisbollah knüpft eine Einigung an Bedingungen.

Mit großer Härte gehen die Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Terrormiliz Hisbollah weiter. Dennoch laufen im Hintergrund erste Verhandlungen.

Heute reist der US-Gesandte für den Nahen Osten, Amos Hochstein, nach Israel. Auch der Nahost-Koordinator des Weißen Hauses, Brett McGurk, wird sich offenbar an den Gesprächen beteiligten. Ihr Ziel: Sie wollen ausloten, ob ein Abkommen zu einem Ende der Kämpfe im Libanon möglich ist.

Der geschäftsführende Ministerpräsident im Libanon, Nadschib Mikati, weckte mit neuen Äußerungen die Hoffnung auf eine baldige Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz. Eine solche könne "innerhalb von Tagen" geschaffen werden. Das sagte Mikati dem libanesischen Fernsehsender Al-Jadeed.

Mikati stellt Bedingungen für Waffenruhe

Bedingungen für eine Waffenruhe seien die Umsetzung der UN-Resolution 1701, die Stationierung der libanesischen Armee im Süden und die Konsolidierung ihrer Präsenz in dem Grenzgebiet, sagte Mikati in einem weiteren Interview dem Nachrichtensender Al-Jazeera. "Wir sind bereit", erklärte er. Details aus einem angeblichen US-Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Waffenruhe, über den mehrere israelische Medien übereinstimmend berichteten, lesen sich ähnlich.

Demnach sieht der Entwurf vor, dass israelische Soldaten den Libanon nach Ende der Feindseligkeiten innerhalb von sieben Tagen verlassen sollen, wie etwa der Fernsehsender Kan 11 berichtete. Stattdessen sollen insgesamt 10.000 Soldaten der regulären libanesischen Armee innerhalb der ersten 60 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens entlang der Grenze zu Israel stationiert werden.

Israel signalisiert offenbar Verhandlungsbereitschaft

Aus Israel gibt es ebenfalls vorsichtige Zeichen der Verhandlungsbereitschaft. Medienberichten zufolge hat der israelische Generalstab Premier Benjamin Netanyahu empfohlen, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sei, eine diplomatische Lösung auszuarbeiten. Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach bei einem Truppenbesuch davon, dass seit Kriegsbeginn etwa 80 Prozent des Waffenarsenals der Terrormiliz zerstört worden sei.

Der israelische Armeesender berichtete, nach Einschätzung von Militärs könne eine Vereinbarung grundsätzlich "innerhalb von Tagen" abgeschlossen werden. Vorherige Bemühungen waren allerdings gescheitert.

Hisbollah-Chef möglicherweise gesprächsbereit

Auch der neue Hisbollah-Chef Naim Kassem ist nach eigenen Angaben gesprächsbereit. Die Miliz sei bereit für eine Beendigung des Krieges mit Israel, "wenn wir die Bedingungen für akzeptabel halten", sagte Kassem in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Einen passenden Plan gebe es aber nicht, fügte er hinzu.

In seiner ersten Rede als Generalsekretär der proiranischen Miliz ging er jedoch darauf nicht näher ein. Kassim betonte stattdessen die Kampfbereitschaft der Hisbollah. Der Feind müsse wissen, dass die Bombardierung libanesischer Dörfer und Städte die Miliz nicht zum Rückzug zwingen werde.

Kassim war am Sonntag zum Nachfolger von Hassan Nasrallah ernannt worden. Dieser wurde Ende September bei einem israelischen Luftangriff in der Hauptstadt Beirut getötet.

Angriffe gehen unvermindert weiter

Während sich im Hintergrund internationale Politikerinnen und Politiker um Vermittlung bemühen, bombardiert Israel den Osten des Libanon. Auch die Stadt Baalbek wurde angegriffen sowie Dörfer in der Umgebung, berichteten Augenzeugen der Nachrichtenagentur dpa. Dort seien mindestens 19 Menschen getötet worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium später mit. Dabei seien auch Gegenden angegriffen worden, in denen Israels Armee die Bewohner nicht vorab zur Evakuierung aufgefordert habe. Unabhängig überprüfen lässt sich das derzeit nicht.

Israels Armee teilte auf Anfrage einer Nachrichtenagentur mit, sie könne Angriffe auf Zivilisten nicht bestätigen. Die Luftwaffe habe in der Gegend der Stadt aber unter anderem Kommandozentralen der Hisbollah bombardiert. "Die Hisbollah missbraucht systematisch zivile Infrastruktur und Gebiete im gesamten Libanon, um terroristische Aktivitäten zu planen und auszuführen", hieß es in einer Mitteilung des israelischen Militärs. Auch diese Aussage lässt sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Zuvor hatte das israelische Militär die Bewohner der Stadt aufgerufen, die Stadt zu verlassen.

Karte mit Israel, Libanon mit Bekaa-Ebene und der Stadt Baalbek

In Baalbek leben etwa 80.000 Menschen. Zudem haben viele Binnenflüchtlinge aus dem Südlibanon dort und der umliegenden Region Zuflucht vor israelischen Angriffen gesucht.  Die Stadt und Umgebung gehören seit 1984 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zur römischen Kaiserzeit wurden hier gewaltige Tempel errichtet. Die Gegend gilt heute als Hochburg der Hisbollah-Miliz.

Evakuierungsaufforderung per Lautsprecher

Über Moschee-Lautsprecher wurden die Menschen demnach wegen der befürchteten Angriffe auch von libanesischer Seite zur Evakuierung aufgerufen. Es war die erste Aufforderung dieser Art in dem Gebiet seit Beginn des aktuellen Kriegs zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär im Libanon.

Zuletzt hatte es im Süden des Libanon solche Evakuierungsaufrufe des israelischen Militärs gegeben.

Zahlreiche Tote bei Angriffen in Bekaa-Ebene

Am Dienstag hatte die israelische Luftwaffe bereits in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanon schwere Angriffe geflogen. Im Zeitraum von 24 Stunden seien allein dort mindestens 60 Menschen getötet und etwa 60 weitere verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Israelische Kampfflugzeuge hätten etwa ein Dutzend Gegenden in den Provinzen Baalbek-Hermel und Bekaa angegriffen, hieß es weiter.

Retter würden unter Trümmern nach weiteren Opfern suchen. Der Gouverneur von Baalbek-Hermel, Baschir Chodr, sprach von den schwersten Angriffen in seiner Region seit Kriegsbeginn. Chodr und diverse Beobachter verbreiteten in sozialen Medien Videos von großer Zerstörung nach den Angriffen.

Israels Armee hatte die Region monatelang weitgehend verschont, die Angriffe dort aber im September wie auch in anderen Teilen des Landes stark ausgeweitet.

Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe Angriffe gegen Stellungen und Kommandoeinrichtungen der Hisbollah, im Gegenzug gibt es im Norden Israels mehrmals am Tag Sirenenalarm, weil die Terrormiliz das Gebiet immer wieder mit Raketen beschießt.

Julio Segador, ARD Tel Aviv, tagesschau, 30.10.2024 15:42 Uhr

Mit Informationen von Julio Segador, ARD-Studio Tel Aviv.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 30. Oktober 2024 um 18:05 Uhr.