Israel und seine Nachbarstaaten Irans Charmeoffensive im Nahen Osten
Nach der jüngsten iranisch-saudischen Annäherung ist Irans Präsident Raisi in Syrien. Sein Land zieht gerade die Fäden im Nahen Osten. Das von der Innenpolitik ausgebremste Israel kann nur zusehen.
Näher beim Todfeind geht es kaum. Als der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian vor wenigen Tagen den Libanon besuchte, ließ er es sich nicht nehmen, einen Abstecher zur libanesisch-israelischen Grenze zu machen. Direkt am Grenzzaun blickte er nach Israel, für das er auch gleich eine Botschaft parat hatte:
Wir sind hier in Marun al-Ras, um erneut mit lauter Stimme zu erklären, dass wir den Widerstand im Libanon gegen die zionistische Einheit unterstützen.
Israel verstehe nur die Sprache der Gewalt, fügte er noch hinzu - eine Botschaft, die in Israel mehr als nur registriert wurde.
Keine Rede mehr von Israels neuen Allianzen
Israel blickt mit einiger Verwunderung auf die neuen Allianzen, die sich im Nahen Osten abzeichnen. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu noch den Schulterschluss mit Saudi-Arabien als eines der vordringlichsten außenpolitischen Ziele genannt. Nach der jüngsten Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien ist davon nicht mehr groß die Rede.
Stattdessen richtete Netanyahu am israelischen Unabhängigkeitstag eine deutliche Warnung an den Iran und seine Verbündeten. Israel kämpfe entschlossen gegen jedes Atomabkommen mit dem Iran - ein Abkommen, das dem Land den Weg zu Atomwaffen ebnen würde.
Und aus dem gleichen Grund kämpfen wir entschieden gegen die terroristischen Erweiterungen des Iran um uns herum. Diejenigen, die versuchen, uns in den Würgegriff des Terrors zu hüllen, werden auf eine überwältigende Reaktion stoßen.
Mit Ebrahim Raisi ist erstmals seit zehn Jahren wieder ein iranischer Präsident in Syrien. Teheran ist einer der wichtigsten Unterstützer der Assad-Regierung.
Bomben auf Aleppos Flughafen
Eine Reaktion gab es: In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde der Flughafen von Aleppo bombardiert.
Auch wenn es keine offizielle Bestätigung gibt: Nicht nur Amos Yadlin, der ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, ist davon überzeugt, dass es sich um einen israelischen Angriff handelte. Den Angriff verstehe er "als eine Art Botschaft" für den anstehenden Besuch des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in Syrien. "Am Wochenende sahen wir, wie der iranische Außenminister an der Nordgrenze stand, auf Galiläa blickte und sagte, die Israelis würden nur Stärke verstehen."
Er denke, das sei der Grund für den Angriff, sagte Yadlin weiter: "Die Syrer müssen verstehen, dass es einen Preis hat, wenn sie die Hisbollah und den Iran zu Gast haben."
"Paradigmenwechsel im Nahen Osten"
Der Nahe Osten ist in Bewegung. Und der Iran ziehe dabei kräftig die Fäden, beobachtet der frühere israelische Militärsprecher für die Nordgrenze, Olivier Rafowicz: "Der Iran nähert sich Syrien immer mehr an, sodass ein Paradigmenwechsel im Nahen Osten stattfindet." Syrien kehre zu den normalen Beziehungen zur arabischen Welt zurück.
Im Nahen Osten änderten sich die Dinge sehr schnell, "und der Iran ist es, der diese Veränderungen lenkt".
Israel mit seiner Innenpolitik beschäftigt
Israel, das durch die innenpolitischen Verwerfungen der letzten Monate außenpolitisch kaum Akzente setzen konnte, blickt als Zuschauer gebannt - quasi von der Tribüne aus - auf die Geschehnisse.
Noch bei seinem Amtsantritt Ende Dezember hatte Regierungschef Netanyahu stolz auf die neuen israelischen Verbindungen zur arabischen Welt verwiesen. Mit Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Sudan gab es zuletzt eine diplomatische Annäherung. Zusätzlich zu den bestehenden diplomatischen Verbindungen zu Ägypten, Jordanien und Marokko.
Wie es aussieht, dürften Israels Ambitionen, die Beziehungen zur arabischen Welt weiter zu verbessern, vorerst gestoppt sein. Der Iran ist dem Ganzen mit seiner neuen Charmeoffensive im Nahen Osten deutlich entgegengetreten.